Westafrika Jänner-März 2005

Teil 4: Libyen

Samstag, 22. Jänner 5

Herr Ben Kalefa von Shati-Tours erwartet uns an der Genze und erledigt alle Formalitäten schnell, sodass der Genzübertritt in einer Rekordzeit von 2 Stunden geschafft ist. Was wir besonders schätzen, ist die Tatsache, dass wir weder für die Einladungen noch für die Abholung an der Grenze noch für den Führer Geld im Vorhinein überweisen mussten, sondern erst heute in Zuara bezahlen. Hier steigt auch unser Führer H. zu. Er macht einen ganz netten Eindruck und spricht recht gut englisch. Bevor wir in den Süden fahren, möchte er uns noch sein Haus zeigen, wo er uns noch zu einem kalten Essen einlädt. Die mit Faschiertem aus Leber und Reis gefüllte Schafsblase schmeckt recht lecker. An der Tankstelle, wo wir alle Tanks und Kanister mit billigem Kraftstoff (1 Liter Diesel ca. 0,12 Euro) füllen, lassen wir auch noch unsere Fahrzeuge waschen und damit vom Salz europäischer Straßen befreien. Es dauert etwa eine Stunde bis wir drankommen, denn hier wird mit der Hand gewaschen und die beiden Burschen lehren uns afrikanische Geduld. Die ist allerdings in dem Moment zu Ende, als einer von den beiden auf die Motorhaube unseres Toyota klettern will, um das Dach zu waschen. Am Abend erbarmt sich Karin und hilft, als unser Begleiter mit seinem Zelt nicht zurecht kommt. In der Nacht erhalten wir Besuch von einem Beuinen, der eines seiner Kamele sucht. Es hat ein Junges bekommen und sich deshalb von der Herde entfernt.

Sonntag, 23. Jänner 5

Am Morgen zeigt das Thermometer nur 3 Grad. Unser Begleiter ist ein Gentleman und lässt Susi vorne sitzen, während er selbst auf der weniger bequemen Bank hinten Platz nimmt. Er ist sehr gebildet und obwohl wir schon viel über das Land wissen, erfahren wir doch eine Menge Neues über Libyen. Mittags besichtigen wir den alten Ksar von Nalut und gegen Abend erreichen wir Darj, wo Karin noch Reifen wechseln lässt. 

Montag, 24. Jänner 5

Östlich von Darj verlassen wir die Asphaltstraße und fahren auf der A8 nach Göttler Richtung Süd-Ost. Den ganzen Tag fahren wir durch sehr eintöniges Gelände. Karin ist uns meist weit voraus, da sie allerdings häufiger Pausen braucht, kommen wir gleich schnell voran. Am Abend ist Bastelstunde: Karin benötigt für ihre GPS-Halterung eine sehr kleine Beilagscheibe, die in unserem Sortiment nicht vorhanden ist. So wird kurzerhand  eine hergestellt. Außerdem wird der Ständer unserer Gaslaterne repariert und an unserem Einbaumöbel muss eine abgerissene Niete erneuert werden. 

Dienstag, 25. Jänner 5

Unser Begleiter hat zwar großen Spaß am Reisen, ist aber doch ein Städter. Er ist mit einem unpassenden Gepäckstück namens Großraumkoffer unterwegs. Zum Waschen braucht er warmes Wasser und pausenlos redet er von einer Dusche, zu der wir ihn bringen müssen. Am späten Vormittag erreichen wir den in völliger Einöde am Abbruch der großen Steinwüste (Hamadat al Hamra) gelegenen Polizeiposten Awaynat Wnin, wo man uns auf einen Tee einlädt und uns 50 Liter Trinkwasser in den Tank leert. Einer der Polizisten liegt mit Fieber und Schmerzen im Bett und macht einen besorgniserregenden Eindruck. Ich diagnostiziere eine Nierenbeckenentzündung und versorge den armen Kerl mit einem Antibiotikum und einem starken Schmerzmittel. Ich werde wohl nie erfahren, wie es ihm ergangen ist. Ich trage seinen Kameraden auf, ihn in zwei Tagen in ein Krankenhaus zu schaffen, falls bis dahin die Medizin nicht geholfen hat. Auch wenn es in Darj oder Idri ein Krankenhaus geben sollte, kann ich mir nicht vorstellen, dass der Patient die eintägige Fahrt durchs Gelände überstehen würde. Und auf einen Rettungshubschrauber darf man hier nicht hoffen. Voller Dankbarkeit verabschieden uns die Polizisten. Die nächsten Stunden verbringen wir damit, auf dem steinigen Boden mit maximal 30 km/h dahinzukriechen. Am Nachmittag hält uns ein Geländewagen an. Vier Ägypter haben den Weg zu ihrem Ölbohrcamp verloren und sind schon knapp mit Sprit. Ihre Ausrüstung ist recht dürftig: Kein Kompass, kein GPS, kein Funkgerät, lediglich zwei Ersatzräder. Wir zeigen ihnen auf einer Landkarte, wo wir uns befinden, doch sie wissen nicht genau, wo ihr Camp ist. Wir raten ihnen, auf der gut markierten Piste bis Idri zu fahren, dort aufzutanken und nach dem Camp zu fragen. Da sie aber vor Einbruch der Dunkelheit im Camp sein wollen, fahren sie geradewegs Richtung Süden ins Gelände. Eine halbe Stunde später sehen wir sie an anderer Stelle herumkurven. Als sie uns bemerken, kommen sie wieder auf uns zu. Mittlerweile hatten sie eine Reifenpanne und haben nun doch beschlossen, unserem Rat zu folgen. Sie schonen ihr Fahrzeug nicht und fahren so schnell voraus, dass wir sie bald aus den Augen verloren haben. In Idri treffen wir vier sehr nette Deutsche, die mit einem umgebauten Feuerwehr-LKW unterwegs sind. Obwohl wir heuer ein anderes Auto fahren, ordnen sie uns aufgrund des Tempur®-Logos unserem Libyen-Reisebericht vom Vorjahr zu, den sie im Internet gelesen haben. Wir übernachten am Rand von Idri zwischen Palmen und Tamarisken. 

Mittwoch, 26. Jänner 5

Heute wollen wir den Erg Ubari überqueren, ein etwa 150 Kilometer breites Dünengebiet. Dabei handelt es sich um eine der anspruchsvollsten Dünenstrecken der Sahara. Wir wählen eine Passage etwa 60 Kilometer östlich der Route, die wir voriges Jahr gefahren sind, und sind schon sehr gespannt, wie es Karin mit dem Motorrad dabei gehen wird. Karin hat zwar schon reichlich Geländeerfahrung, ist mit dem Motorrad schon viel in Afrika herumgefahren, allerdings noch kaum im Sand. Wir reduzieren den Reifendruck auf etwa 1 bar und fahren los. Anfangs geben alte Spuren die Richtung vor, dann aber sind sie verweht und wir müssen uns selbst einen Weg suchen. Die Dünen sind recht klein und in ebenso kleinen Radien müssen wir sie umfahren, was für das Auto kein Problem darstellt, unsere Motorradfahrerin jedoch in erhebliche Schwierigkeiten bringt, da sie immer tief in den Sand einsinkt, wenn sie eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit unterschreitet. Immer wieder müssen wir die tief eingegrabene Maschine hochheben und anschieben. So vergehen die Stunden und wir haben erst einen Bruchteil der Strecke zurückgelegt. Als sich dann noch ein unbezwingbarer Dünenriegel uns in den Weg schiebt, wird uns bewusst, dass wir schon längst einen wichtigen Sicherheitsgrundsatz verletzen: Die Fahrt mit zumindest zwei autaken Fahrzeugen. Sollte ein Fahrzeug defekt sein, kann das andere Hilfe holen. Das funktioniert momentan nicht, da Karin in diesem Gelände ohne unsere Hilfe nicht weiterkommt. Wir beschließen daher vernünftigerweise, umzukehren und den Erg Ubari großräumig auf der Asphaltstraße zu umfahren. Erschöpft und durchgeschwitzt machen wir auf dem Campingplatz in Braghan Halt, wo wir uns nach einer Dusche Kamelfleischmakkaroni schmecken lassen.

Donnerstag, 27. Jänner 5

Wir fahren auf der Asphaltstraße über Brak und Sebha nach Terkiba und übernachten auf dem Campingplatz unmittelbar am Rande der Dünen. Morgen wollen wir uns erneut am Erg Ubari, diesmal von Süden her, versuchen und zu den Mandaraseen fahren. Susi kocht ein hervorragendes Abendessen aus dem Gemüse, das wir heute morgen vom Besitzer des Campingplatzes in Birgin erhalten haben: Karotten, Mangold, Kartoffeln, Rucola und Zwiebeln. Nur mit den zwei Kilo Petersil wissen wir nichts anzufangen. 

Freitag, 28. Jänner 5

Da unser Führer heute nicht zum Frühstück erscheint und wir nicht wissen, wo er schläft, brechen wir ohne ihn zu den Mandara-Seen auf. Karins BMW bleibt am Campingplatz. Durch eine der wunderbarsten Sahara-Landschaften fahren wir zum Maflou- und zum Gabroon-See. Wir sind beeindruckt, was unser Auto leistet: Für weite Teile der Strecke brauchen wir nicht mal den Allrad einzuschalten. Auch auf schwierigen Abschnitten benötigen wir kein einziges Mal die Sandbleche. Untersetzung und Differentialsperren reichen. Am späten Nachmittag geht's dann, wieder mit zwei Fahrzeugen und H. an Bord, auf Richtung Al Katrun an der nigrischen Grenze.

Samstag, 29. Jänner 5

Nach einer Übernachtung in der Nähe von Murzuk, wo wir uns gestern noch die Festung angesehen haben, setzen wir heute unsere Fahrt nach Al Katrun fort. Ab Um el Aranib ist der Asphalt sehr schlecht und wir fahren meist neben der Straße. Es ist heute bewölkt, einmal fallen sogar ein paar Regentropfen. Nun wird der Wind stärker, bläst viel Sand quer zur Fahrtrichtung, und wächst sich innerhalb weniger Minuten zu einem kapitalen Sandsturm aus. Die Sicht ist so schlecht, dass wir auf die Straße zurückkehren müssen, um nicht die Orientierung zu verlieren. Es geht nun äußerst langsam weiter und die restlichen gut 100 Kilometer bis Katrun werden endlos. Vor uns kämpft Karin auf dem Motorrad gegen Seitenwind, Sand und Schlaglöcher. Kurz vor der Polizeikontrollstelle vor Al Katrun lässt der Sturm ein wenig nach und plötzlich scheint es, dass sich unsere Windschutzscheibe beschlägt. Doch es lässt sich weder innen noch mit dem Scheibenwischer außen klarere Sicht erzielen. Binnen Sekunden hat uns eine Bö heißen Sandwindes die Frontscheibe ruiniert, indem sich tausende winzige Sandkörner in das Glas gebrannt haben! Endlich in Al Katrun angelangt, flüchten wir uns in das Fort von Mohammed Tahar. Hier sind wir vor dem Sturm geschützt, der noch bis in die Nacht tobt. Das Fort aus italienischer Zeit wurde von Mohammed liebevoll restauriert und dient ihm als Wohnsitz und Reisenden als Auberge.

Sonntag, 30. Jänner 5

Am Vormittag verabschiedet sich unser Führer H. von uns. Er fährt mit dem Taxi nach Sebha zurück und wird von dort nach Tripolis fliegen. Während Mohammed sich um die ziemlich komplizierten Ausreiseformalitäten kümmert, die schon hier in Al Katrun, 270 Kilometer vor der Grenze erledigt werden müssen, inspizieren wir unsere Fahrzeuge und stellen fest, dass unsere Windschutzscheibe nicht nur auch nach gründlicher Reinigung wie Milchglas aussieht, sondern auch noch zwei Sprünge abbekommen hat. Auch die Scheinwerfergläser und der Autolack an der Frontpartie sind matt und Felgen und Stoßstange sehen aus wie sandgestrahlt. Dem libyschen Kennzeichen ist jede Farbe verlorengegangen. Aus dem Sandabscheider unseres Luftfilters hole ich gut eine Handvoll Sand. Susi ist längere Zeit mit der Innenreinigung des Wagens beschäftigt - alles ist mit einer Staubschicht bedeckt. Nach dem Mittagessen geht's dann los Richtung Niger. Schon nach ein paar Kilometern werden wir an einer Kontrollstelle angehalten. Die Polizisten sind rührend um unsere Sicherheit bemüht, wollen wissen, ob wir GPS, genügend Treibstoff und Wasser mithaben, und ermahnen uns, langsam (100) und nicht in der Nacht zu fahren. Sie sind sichtlich zufrieden, als ich von 250 Litern Diesel und 150 Litern Wasser spreche. In Tajirhi, der letzten Tankstelle vor der Grenze - noch immer 200 km von dieser entfernt, füllen wir nochmals unsere Tanks randvoll mit billigem libyschen Treibstoff (1 Liter Diesel kostet 7 Cent!). Die weitere Route führt über fast 100 Kilometer durch ein Sandfeld, in dem nach dem gestrigen Sturm kaum mehr Spuren sichtbar sind. Ohne GPS hätten wir hier wohl keine Chance. Überhaupt ist es kaum fassbar, welch unscheinbare Piste die Hauptverbindung zwischen dem Niger und Libyen bildet. Hin und wieder passieren wir ein Grab. Angeblich finden viele Menschen auf dieser Strecke den Tod, weil sie zum Beispiel erschöpft von einem Schlepper-Lastwagen fallen. Kurz bevor wir unser Nachtlager aufschlagen, stürzt Karin im weichen Sand. Bis sie ihr Bein unter dem Motorrad hervorziehen kann, hat der heiße Auspuff schon ein Loch in die Hose gebrannt und ihr eine große Brandblase am Unterschenkel zugefügt. Doch Karin ist hart im Nehmen.

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