Tunesien September 2005Teil 2: Der Süden - Das "Sperrgebiet": Dünen, Sand und Brunnen. Montag, 12. September 5 Die schönsten Saharalandschaften Tunesiens befinden sich im Süden des Landes, in einem zwischen Algerien und Libyen gelegenen Dreieck. Aufgrund dieser besonderen Lage zu den Nachbarländern und der praktisch fehlenden Besiedlung ist das Gebiet militärische Sperrzone. Eine Einfahrt ist nur mit Bewilligung möglich; außerdem besteht Meldeplicht bei jedem Posten. Wir haben die Bewilligung schon von zu Hause per Fax beantragt und wollen sie heute abholen. Doch: Ich fühle mich elend: Übelkeit, Durchfall und eine Kreislaufschwäche quälen mich. Trotzdem fahren wir ins nahe Tataouine, um die Bewilligung abzuholen. Das Touristenbüro (N 32 55,60 E 10 26,73) ist jedoch geschlossen, schließlich ist zur Zeit ja nicht "Saison". Mehrfach werden wir später von Militärposten hören, dass wir die ersten Touristen seit Mai sind. Nach einem Telefonat wird das Büro geöffnet, doch leider ist unser Fax "nicht eingetroffen". Die Bewilligung ist daher noch nicht vorhanden und muss erst von einer Behörde ausgestellt werden. Die drei Stunden Wartezeit verbringen wir damit, unser Fahrzeug vollzutanken (Diesel in Tunesien 0,590 TD = 0,37 EUR) und etwas außerhalb der Stadt zu rasten. Wegen meiner angeschlagenen Gesundheit fühle ich mich in der herrschenden Hitze nicht wohl und freue mich aufs Autofahren, weil dann die Klimaanlage Erleichterung schafft. Pünktlich um 12 Uhr erhalten wir die Bewilligung für das Sperrgebiet. Einschließlich zehn Kopien kostet sie für uns beide 28 TD (11,25 EUR). Bevor wir ins Sperrgebiet einfahren dürfen, muss eine dieser Kopien vom Militärposten in Remada (N 32 18,88 E 10 23,88) abgestempelt werden. Erst dann dürfen wir in Kambout in die militärische Zone einfahren. Nur hier wird der Stempel kontrolliert, alle weiteren Militärposten im Sperrgebiet interessieren sich dafür nicht mehr. Diese überprüfen jeweils, ob die Namen auf den Bewilligung mit denen in den Reisepässen übereinstimmen, behalten eine Kopie ein und notieren Woher und Wohin, sowie das Kennzeichen des Fahrzeuges. Auf den Routen PS2 und PS6 nach Eckert passieren wir die Posten Bordj Jenein und Bir Zar. Die anfangs noch steinige und bergige Landschaft weicht immer mehr einer Ebene, in die bereits der Wüstensand hereinzieht den kargen Pflanzenbewuchs mehr und mehr verdrängt. Aus Algerien kommend, zieht sich eine Ölpipline in Süd-Nord-Richtung durch das Sperrgebiet, um dann in der Hafenstadt La Skhirra die Küste zu erreichen. Die Pipeline wird von einer breiten Piste von wechselnder Qualität begleitet. Kurz vor Erreichen dieser Pipelinepiste nächtigen wir in den Dünen. Nur die unglaublich vielen Fliegen trüben die Idylle. Am Horizont sieht man im Nordwesten den Lichtschein vom 100 Kilometer entfernten El Borma. Km 262/2.027. Dienstag, 13. September 5 Wir fahren weiter auf der PS1 nach Süden, münden bald in die Pipline-Piste ein und passieren den Militärposten Tiaret: Auch hier wieder begrüßen uns äußerst freundliche Soldaten, die ein wenig mit uns plaudern und sich offensichtlich über Abwechslung freuen. Die lange vermissten Sanddünen kommen nun immer näher, türmen sich beidseits der Piste auf und behindern immer öfter die sonst zügige Pistenfahrt. Ein Stück südlich von Tiaret machen wir Rast an einem idyllischen Ort: Am Fuß hoher Dünen befinden sich Palmen, Tamarisken und Büsche. Da aber diese Pflanzen nur dürftigen Schatten spenden, halten wir uns nur kurz auf; das Thermometer misst knapp über 50 Grad, nicht nach strengen meteorologischen Regeln (der Fühler unter der Bodenplatte befindet sich zwar im Schatten, misst aber die vom Boden reflektierte Wärmestrahlung mit), aber schließlich jene Temperatur, die auch wir fühlen. Am Kontrollposten von Ain Skouna halten wir vorschriftsgemäß an, doch kein Soldat lässt sich blicken. Ich gehe auf die Kaserne zu. Einige Kamele liegen herum, Hunde bellen, aber kein Mensch lässt sich blicken. Weiter in die Kaserne vordringen will ich nicht und so setzen wir unsere Fahrt unregistriert fort. Nun treten die beidseits der Piste verlaufenden Dünenzüge näher und vereinigen sich schließlich. Auf den nächsten fast 20 Kiolometern überqueren den südöstlichsten Ausläufer des Grand Erg Oriental, einem Sanddünengebiet, das sich von hier über ca. 800 Kilometer nach Zentralalgerien zieht. Die Überquerung stellt keine hohen Ansprüche an Orientierung oder Fahrkönnen, stellt aber bestimmt das landschaftlich schönste Stück von Remada bis zur Südspitze Tunesiens dar, die wir bald erreichen: Bord el Khadra liegt in unmittelbarer Nähe zur algerischen und libyschen Grenze. Die wunderschöne Stadt Ghadames in Libyen ist nur 15 Kilometer entfernt! Bordj el Khadra liegt an einem schilfgesäumten See und besteht aus einem (zivilen) Ort mit Oasengärten und der Kaserne. Am Militärposten werden unsere Reisepässe für die Dauer unseres Aufenthaltes einbehalten. Wir stellen unser Fahrzeug am Campingplatz im Schatten (!) ab. Unsere Erkundung ergibt: Wir sind die einzigen Gäste, das Cafe hat geschlossen, das Wasser in der Dusche ist sauber und kühl, das WC eine Zumutung. Wir verbringen den Nachmittag mit Duschen, Ausruhen (ich bin noch immer nicht ganz gesund) und der Reparatur unseres Kühlschrankes. Erst am späteren Nachmittag scheint die Oase zu erwachen: Kinder lärmen, ein Bauer bringt uns frisch geerntete Datteln und Brot. Der Arzt der Garnison kommt auf einen Tratsch. Am Abend wir das Cafe geöffnet. Wir bestellen Kouscous zum Abendessen, das leider erst sehr spät serviert wird. Bis dahin lernen wir die Lebensgeschichte des Garcons kennen: Er ist arbeitsloser Lehrer und verbringt hier ein Jahr, nach dem er hoffentlich einen Job bekommt. Km 153/2.179. |
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Mittwoch, 14. September 5 Das Frühstück ist karg: Brot, zwei Eier, warme Milch, Tee. Das macht aber nichts, denn der hygienische Zustand von Geschirr und Besteck lässt einem - und wir sind einiges gewohnt! - ohnehin den (bei mir noch schwachen) Appetit vergehen. Aber erst die Rechnung krönt den Aufenthalt: Für die Übernachtung auf dem Campingplatz im eigenen Auto, zwei Abendessen, zweimal Frühstück und drei Flaschen Wasser (nicht originalverschlossen) will unser arbeitsloser Lehrer 50 TD (31 EUR). Ich protestiere heftig, gebe mich sichtlich zornig und nach einigem Gezeter einigen wir uns auf 20 TD (12,50 EUR) plus ein paar abgetragene Kleidungsstücke, ein noch immer weit überhöhter Preis. Vermutlich zahlen wir seinen Verdienstentgang mit, denn wenn Touristen am Platz sind, darf er keine Soldaten bewirten. Wir wollen heute nicht auf der Piste zurückfahren, sondern versuchen, direkt von Bordj el Khadra durch den Grand Erg Oriental an der algerischen Grenze nach Norden bis nach El Borma zu fahren. Irgendwo hab ich einmal gehört, dass das möglich sei, ich konnte jedoch weder in Büchern noch im Internet Reiseberichte darüber finden. Als wir unsere Pässe vom Militär abholen, frage ich, ob es möglich ist, diese Stecke zu fahren. Das wird bejaht und eine Fahrzeit von vier bis fünf Stunden wird angegeben. Das scheint uns nicht ganz realistisch, denn es geht quer durchs Gelände über 165 Kilometer Luftlinie! Gleich vorweg: Ein Tag ist realistisch. Da meines Wissens kein Reiseführer und kein Reisebericht im Internet diese Strecke erwähnt und die Fahrt durch wunderschöne Saharalandschaften führt, erlaube ich mir, diesen Abschnitt genauer darzustellen und GPS-Daten anzuführen: Bordj El Khadra - El Borma
direkt Im ersten Teil müssen hohe Dünenberge östlich umfahren werden. Der zweite Teil führt durch unzählige bewachsene Becken, an deren Ende jeweils mittelhohe Dünen überquert werden müssen, was in Süd-Nord-Richtung leichter möglich ist als umgekehrt. Die Becken selbst sind rasch durchfahrbar. Der dritte Teil der Strecke benützt eine Sandpiste, die knapp an der algerischen Grenze verläuft, zügiges Fahren zulässt und vor El Borma in eine geschobene steinige Trasse übergeht. Die Strecke führt durch völlig abgeschiedenes Gebiet. Auch wenn abschnittsweise Pisten erkennbar sind, werden diese nicht mehr benutzt, nur im nördlichen Teil kann gelegentlich eine Grenzpatroille unterwegs sein. Vorsicht: Mit fremder Hilfe darf nicht gerechnet werden! Die GPS-Daten der angegebenen Wegpunkte finden Sie hier. Wir starten beim Militärposten in Bordj El Khadra (N 30 15,10 E 09 33,33), fahren kurz auf der Pipeline-Piste, auf der wir gekommen sind, zurück und biegen bei P22 auf eine kleinere Piste Richtung Norden ein. Diese führt nach 700 Metern an einem Sportplatz vorbei, dann durch vermülltes Gelände auf hohe Dünen zu (P23) und schließlich auf diese hinauf, wo sie sich kurz darauf im Sand verliert. Wer sich in diesen Dünen austoben will, hat reichlich Gelegenheit zum Schaufeln und Sandblechen. Da wir noch nicht genau wissen, wo die beste Route verläuft, müssen wir immer wieder das Gelände zu Fuß erkunden, mehrmals wenden und leider bleiben wir auch einige Male heftig im Sand stecken. Das bringt mich rasch an den Rand der Erschöpfung und einmal einem Kreislaufkollaps nahe, immerhin hat es jenseits der 40 Grad und ich bin noch immer gesundheitlich beeinträchtigt. Die bequemere Route führt in einem Bogen um diese Dünenberge, sozusagen am Rande des Sandes. Bei P24 treffen wir auf eine Piste durch steinig-sandiges Gelände. Bei P25 passieren wir rote Steine, die Piste ist dann von Dünen verschluckt, die man am besten westlich umfährt. Bei P26 erreichen wir eine Markierungsstange und bei P27 wird unsere Piste als Spurenbündel in nordöstliche Richtung wieder sichtbar. Wir passieren bei P28 ein Rohr und einen Steinhaufen und bei P29 eine Stange. Bei P30 haben wir die mittlerweile überwehte Piste wieder gefunden, die nun nach NW führt. Eine dunkle runde Fläche mit vielen Spuren taucht bei P31 auf. Die Strecke führt nun lange Zeit nach NNW. Es folgt eine steile Dünenabfahrt bei P32 und ein recht sandiger Abschnitt bei P33. Am Wegpunkt P34 befindet sich ein Hubschrauberlandeplatz, daneben eine kleine Mauer. Was bei P35 aus der Ferne wie ein Meteoritenkrater aussieht, ist offenbar menschlichen Ursprungs, eine Art künstlicher Krater. Der Zweck des Baus ist unklar, vielleicht handelt es sich um eine aus der Luft sichtbare Markierung? Bei P36 findet sich ein Wegweiser, danach einige Fässer. Es folgen mehrere steile Abfahrten, bei P37 befinden wir uns wieder auf gut erkennbarer Piste. Bei P38 findet sich ein Wegweiser und ein erstes Fass; unzählige weitere markieren nun in kurzen Abständen den Pistenverlauf. Die Piste verläuft durch glatten Sand, keine Dünen stören, sodass eine rasche Fahrt möglich ist. Eine auffällige Kurve bei P39. Km 153/2.332. Donnerstag, 15. September 5 In der Früh steht unser Wagen schief, wir haben einen Platten. Der Reifen lässt sich aber wieder aufpumpen. Ein Loch ist nicht erkennbar. Bei P40 treffen wir auf eine heiße, schwefelhaltige Quelle. Aus einem fast zwei Meter hohen Steintrog sprudelt warmes Wasser, das bei der herrschenden Hitze trotzdem ein erfrischendes Bad ermöglicht. Zum Trinken eignet sich das Wasser offenbar nicht, denn zwei Nomaden, die mit ihren Kamelen in der Nähe lagern, freuen sich über unsere Trinkwasserspende. Die Richtung ist nun WNW; ab einer Fläche mit weißen Steinen (P41) dreht die Piste wieder nach NNW, eine Rohrleitung quert. Das Ende der Fassmarkierungen ist erreicht, dafür lässt die weiße Piste keine Orientierungsschwierigkeiten zu. Meist ist auch die Rohrleitung sichtbar. Wir fahren nun im Abstand von ein bis drei Kilometern an der algerischen Grenze entlang. Bei P42 befindet sich eine schon von weitem sichtbare Sendestation und bei P43 macht unsere Piste eine Biegung, eine zweite Piste und eine zweite Rohrleitung münden von links ein. Schließlich kommen wir zu einem aufgelassenem Bohrcamp (P44), wo eine uns entgegenkommende Stromleitung endet. P45 ist ein Abzweig rechts; bei P46 beginnt der Asphalt, ein Pipelinewirrwarr begleitet die Straße. 300 Meter weiter befindet sich ein Camp. Mehrfach warnen bei der Durchfahrt unter Starkstromleitungen Schilder vor Lebensgefahr. Für Fahrzeuge unter 6 Metern Höhe besteht kein Grund zur Sorge. Nun ist El Borma erreicht. Eine Meldung bei der Garde Nationale (P47) ist erforderlich. Die Beamten sind äußerst freundlich, laden uns sogar zu einem Getränk ein. |
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Bei der Ausfahrt aus El Borma findet nochmals eine Kontrolle unserer Papiere statt. Auf guter Piste geht es rasch ostwärts, nur gelegentlich gibt es querende Dünen. Ein klopfendes Geräusch lässt uns anhalten und nach der Ursache forschen. Eine Auspuffhalterung ist abgerissen und deshalb schlägt der Auspufftopf an die Karosserie. Es gelingt mir, den mit dickem Draht Abhilfe zu schaffen. Das Wrack eines Ford Transit kennzeichnet von weitem die Einmündung in die Pipelinepiste. Diese ist die ersten 18 Kilometer bis zum Abzweig der PS2 nach Kambout in bestem Zustand, dann aber schlecht gewartet und weist starkes Wellblech auf. Immer wieder müssen wir auf Nebenpisten oder Nebennebenpisten ausweichen. Abschnittsweise ist die Piste unter Querdünen verschwunden. Obwohl diese kaum einmal einen Meter Höhe erreichen, gelingt es mir doch, wie ein Anfänger einzusanden. Etwas abseits der Piste übernachten wir in einem Wadi. Ein paar Bäume spenden Schatten und wären nicht die unendlich vielen Fliegen, wär's ein idyllischer Ort. Ich fühle mich heute den ersten Tag wieder gesund und auch die Tagestemperaturen haben heute die 40 Grad kaum überschritten. Km 174/2.506. |
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Freitag, 16. September 5 Auf der PS4 machen wir nun einen Abstecher nach Bir Aouine. Wir melden uns am Militärposten und fragen nach der Thermalquelle, die in der Nähe liegen soll. Der junge Soldat zeigt auf einen Berg am Horizont und sagt: 12 Kilometer dorthin, dann links. Doch trotz dieser detaillierten Wegbeschreibung gelingt es uns erst nach einigem Suchen, die Quelle zu finden. Das Wasser ist angenehm kühl und aufgrund der brunnenartigen Einfassung der Quelle können wir ein Bad nehmen, obwohl einige Hirten sich mit ihren Ziegen und Schafen in der Nähe aufhalten. |
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Von der Quelle soll eine Piste direkt nach Ksar Ghilane, unserem nächsten Ziel, führen, doch sie verschwindet in einem Meer von Minidünen, die kaum befahrbar sind. Wir fahren daher zurück auf die PS4, um von dieser auf die PS8 nach Kamour einzubiegen. Doch zunächst finden wir den Abzweig nicht und landen wieder im Minidünenmeer. Als wir dann den Abzweig zweifelsfrei gefunden haben und nochmals nach Norden fahren, müssen wir einsehen, dass hier einfach kein Durchkommen ist. Seit Erscheinen der Reiseführer, die diese Strecke beschreiben, hat sich ein breiter Dünenriegel in den Weg gelegt, sodass die PS8 hier nicht mehr existiert. Wir kehren daher erneut um und fahren via PS4 und Piplinepiste nach Kamour, wo wir das Sperrgebiet verlassen. Der Kontrollposten scheint gänzlich verlassen, erst im inneren Kasernenhof kommt auf mein lautes Rufen ein junger Soldat aus der Dusche und nimmt meine Abmeldung entgegen. Wenn hier einer böses im Sinne hätte! Bei den heutigen Dünenkämpfen hat der Reifen, der gestern schon einen Platten hatte, wieder stark Druck verloren. Er lässt sich nicht mehr über 1,5 bar aufblasen und nun ist auch klar an der Flanke das Leck erkennbar. Nach meinen fast 30.000 Afrika-Kilometern die erste Reifenpanne auf diesem Kontinent! Ein Reifenwechsel beschließt den Tag. Km 193/2.506. |
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