Woche 3

Samstag, 2. Dezember 6, Tag 15

Über den Passe d'Aouinat et Mlis geht's die Falaise hinauf, dann ein weiterer Pass, der Passe de Te-n-Zak, von dem man einen netten Ausblick auf die zuvor durchfahrene Ebene hat. Plötzlich hören wir eine Melodie und es dauert eine Weile, bis wir sie verwundert meinem GSM-Handy zuordnen. Das ist nämlich seit zwei Wochen ausgeschaltet, hat sich aber offenbar durch das Rütteln auf der sehr steinigen Piste eingeschaltet und das Läuten zeigt eine empfangene SMS an, und das, obwohl wir noch ca. 40 Kilometer von Atar entfernt sind. Es ist leider keine gute Nachricht: Eine liebe Freundin liegt im Krankenhaus und es geht ihr nicht gut. Wir denken heute oft an sie. In Ksar Trochane beginnt überraschender Weise schon die Asphaltstraße. Das ist schön, waren wir doch auf zehn Kilometer Wellblech eingestellt. In Atar haben nicht nur die Banken geschlossen, auch die Bankomaten funktionieren außerhalb der Geschäftszeiten nicht. Wir wechseln daher auf der Straße (1:320). Da es nur kleine Ougya-Scheine gibt, kriegen wir für unsere drei Euro-Hunderter ein Riesenbündel Geld. Wir lassen uns dann noch ein Internet-Cafe zeigen, das jedoch durch langsame und zudem ständig abreißende Verbindung besticht. Wir tanken Diesel und Wasser und möchten dann noch eine Runde durch den Markt gehen. Das vergeht uns aber ganz schnell, da uns eine ganze Meute aufdringlicher Menschen nachläuft und uns ständig beschwatzt. Wir ergreifen die Flucht und verlassen die Stadt in Windeseile Richtung Nordosten nach Chinguetti. Über das Adrar-Bergland gibt es zwei Straßen, eine alte, wenig benutzte, die in einem großen Bogen zum Amogjar-Pass führt und eine neue viel befahrene, die die kürzere und vor allem schnellere Verbindung darstellt. Wir wählen die alte Route über den Pass und sind bald begeistert von dem grünen Tal, das wir durchfahren und das uns zum Pass hochführt. Unterwegs treffen wir ein Paar aus Frankreich, das mit seinem Landrover unterwegs nach Kapstadt ist. Auf der Westseite Afrikas soll's runter gehen, auf der Ostseite wieder rauf.  Nach kurzem Tratsch geht's weiter, die Strecke ist sehr steinig, erfordert große Bodenfreiheit und ist manchmal nur mit Untersetzung zu befahren. Doch der Weg lohnt sich sehr, führt er doch in eine grandiose Landschaft. Leider müssen wir bei einem Fotostopp feststellen, dass unsere neue Kamera nicht mehr will. Sie hat Sand im "Getriebe", das heißt, das Objektiv lässt sich weder ein- noch ausfahren und der Fotoapparat schaltet sich selbst gleich wieder ab. Wir sind sehr betrübt und packen unsere Steinzeitkamera aus, die wir zur Reserve mitgenommen haben. Da es schon dunkel wird, fahren wir auf die Hochebene hinauf, ohne ein paar interessante Plätze anzusehen. Das wollen wir morgen bei gutem Licht nachholen. Als wir zu Bett gehen wollen, fällt uns ein sehr unangenehmer Geruch im Auto auf, den wir heute unterwegs schon einmal wahrgenommen haben. Ich betätige mich als Spürhund und entdecke bald das Malheur: Die Verpackung mehrerer Fertiggerichte ist undicht und das nun verdorbene Essen hat faulige Gerüche entwickelt. Wir entsorgen die Stinkerei und waschen die entsprechende Stapelbox gründlich. Km 140/6.572.

Sonntag, 3. Dezember 6, Tag 16

In der Früh repariere ich die Halterung unseres GPS-Gerätes und den vorderen Kennzeichen-Halter. Dann fahren wir wieder ein Stück den Amogjar-Pass hinunter, um uns das aus der Ferne sichtbare Fort Sagane aus der Nähe anzusehen, doch was von weitem wie eine stolze Burg aussieht, ist dann nur eine wenig interessante Ruine. Wieder oben auf der Anhöhe angelangt, sehen wir uns an zwei Stellen Felsmalereien an, von denen die erste, direkt auf der Passhöhe, zwar recht nett gelegen ist, die Malereien allerdings eher enttäuschend sind, wenn man Felsmalereien in Algerien oder Libyen gesehen hat. Immerhin sind die Plätze bewacht und man muss bescheidenen Eintritt bezahlen (300 bzw. 400 Ougya, knapp 1 bzw. 1,25 Euro). Somit sind die Malereien vor Beschädigung geschützt und einige Menschen finden hier Arbeit. Nach etwa einem Kilometer gelangen wir auf die neue Piste Atar - Chinguetti, die wir ein Stück zurück Richtung Atar fahren, weil wir uns auch die neue Passstraße ansehen wollen, die angeblich von Chinesen gebaut wurde. Die Straße ist hier für ein paar Kilometer asphaltiert, zweispurig und sehr steil. Wir wenden wieder und gelangen auf rüttelnder Wellblechpiste nach Chinguetti. Hier stehen unzählige Menschen, nach Geschlechtern getrennt, vor einem Gebäude Schlange. Wir erfahren, dass heute gewählt wird und deshalb ein Vielfaches an Menschen in der Stadt ist. Wir kaufen einiges ein, besehen uns die berühmte Moschee von außen und wollen gerade ein Restaurant suchen, als wir von einem Mann angesprochen werden, der uns anbietet, bei ihm zu Hause in Ruhe und abseits von dem Trubel zu essen. Er würde für uns besorgen, was wir möchten. Wir sind ein wenig skeptisch, finden dann aber in Anbetracht der vielen Menschen die Idee nicht so schlecht. Wir fahren mit ihm zu seinem Haus am Stadtrand. Es besteht aus nur einem Raum, der mit Teppichen ausgelegt ist. Drinnen ist es kühl, fast kalt. Wir bestellen Poulet mit Gemüse und zwei Limonaden. Es dauert gut eine Viertelstunde, bis er mit den Getränken kommt und dann noch weitere 50 Minuten, bis er das Essen bringt. Auch wenn in der Zwischenzeit zwei große Mädchen mit einem Kleinkind uns gegenüber am Boden Platz nehmen, sich dann aber fadisieren und wieder verschwinden, fragen wir uns, worauf wir uns da wieder eingelassen haben, erinnern uns aber dann daran, dass in Afrika manches eben länger dauert als bei uns. Als schließlich das Futter kommt, sind wir aber sehr schnell versöhnt, denn das Grillhendl schmeckt vorzüglich und auch das Gemüse ist oberlecker. Unser Gastgeber lässt uns, während wir essen, schon wieder allein, und als wir fertig sind und uns wieder auf den Weg machen wollen, ist er noch immer nicht da. So hinterlegen wir das vereinbarte Geld (2.200 Ougya, 10 Euro) und steigen ins Auto. Gerade als wir wegfahren, taucht er auf und ich gehe mit ihm nochmals ins Haus und gebe ihm das Geld. Er ist sichtbar erleichtert, hat er doch anscheinend schon befürchtet, wir hätten uns ohne Bezahlung verdünnisiert. Wir verlassen die Stadt Richtung Osten. Nach Ouadane gibt es zwei Strechen, eine sandige und eine steinige. Die Franzosen, die wir gestern getroffen haben, sind beide gefahren und raten uns zur steinigen, die sandige sei sehr schwierig zu befahren. Es ist natürlich keine Frage, dass wir die Strecke durch den Sand nehmen. Das geht zunächst ganz gut, doch dann landen wir urplötzlich in einem ca. fünf mal zehn Meter großen Weichsandfeld, das absolut nicht sichtbar war und dessen Ausmaß wir nur durch Abschreiten feststellen können. So kapital sind wir noch nie wo drin gesteckt. Also Schaufeln raus, Sandbleche in Anschlag. Die Arbeit ist echt schrecklich, weil heftiger Wind uns den Sand in die Augen bläst. Beim ersten Anfahrversuch bewegt sich noch gar nichts. Es sieht also nach längerer Schaufelei aus, doch plötzlich kommt ein Pickup vorbei, von dem einige starke Männer hüpfen, die mit Händen schaufeln und dann anschieben und schon sind wir draußen. In Afrika bist du nie alleine. Nur ein kurzes Stück weiter schaufeln wir ein zweites Mal, doch dann wird der Sand fester und wir kommen schnell voran, haben bis zum Abend zwei Drittel bis Ouadane geschafft. Erfreulicherweise lässt auch der Wind ein wenig nach. Wir beschließen den Abend sehr romantisch mit Tee am Lagerfeuer. Km 156/6.728.

Montag, 4. Dezember 6, Tag 17

Heute ist es endlich klarer und ganzen Tag gibt es weniger Wind. Auf weiterhin sandiger Strecke ist bald Ouadane erreicht. Gleich am südlichen Ortsrand thront auf einem Hügel das Palace-Hotel (schwer vorstellbar, wo der Name herkommt), gleich daneben befinden sich einige Herbergen. Auf einem zweiten größeren Hügel liegt der verschlafene, sympathische Ort selbst, oben die Moschee, ihr zu Füßen am Hang die Altstadt. Die 1.000 Ougya (3 EUR) Eintritt p. P. für die Altstadt leisten wir uns nicht, da man auch von außen ganz gut das Stadium des Verfalls der Ruinen abschätzen kann. Wir ergänzen unseren Vorrat an Datteln, kaufen in einer Boutique ein paar Souvenirs und verlassen den Ort durch hübsche Palmgärten. Noch auf Sand passieren wir die Reste der (!) Ruinen des Fort Aghouedir. Achtung: Auf vielen Karten ist Aghouedir nördlich des Guelb-er-Richat eingezeichnet. Es befindet sich jedoch ca. 15 Kilometer südlich des Kraters bei N20 59.92 W11 26.41. Die Ruinenstätte ist absolut unbeeindruckend, ein Halt lohnt sich jedoch wegen der dort angebotenen handgefertigten Erzeugnisse aus Sandstein. Hier wird es steinig und wir fahren nun von Südwesten auf den Guelb er Richat zu. Dabei handelt es sich um eine Anordnung mehrerer konzentrischer Ringe, der äußerste mit einem Durchmesser von etwa 40 Kilometer, die einen seichten Krater umgeben. Wenn man von außen ins Zentrum fährt, muss man somit diese Ringe hinauf und anschließend wieder hinunter fahren. Der Guelb ist insofern spektakulär, als man ihn sogar aus dem Weltraum erkennen kann (siehe Satellitenfoto), wenn man durch ihn hindurchfährt, ist die Sache weit weniger aufregend, da man den Verlauf der Ringe nicht immer klar erkennen kann. Der Weg nach Norden aus dem Krater ist zermürbend, wir fahren auf einer Piste auf faust- bis ballgroßen Steinen, es rumpelt ganz heftig, auf weite Strecken ist nur halbes (!) Schritttempo möglich. Einen Höhepunkt findet das ganze am Kamelpass (N21 16.75 W11 23.24), wo zu der Rüttelei noch eine starke Steigung hinzukommt. Woher wohl der Name kommt? Die nächsten knapp 30 Kilometer gehen ganz ähnlich weiter, dann endlich ist das Ende des Hochplateaus erreicht, es geht eine Steilstufe hinab und der Brunnen El Beyyed ist erreicht, in dessen Nähe wir übernachten. Susi wäscht sich grad die Haare, da kommt eine Gruppe von Frauen und Kindern daher. Alle grüßen freundlich, lassen sich im Halbkreis um unser Auto im Sand nieder, breiten Tücher auf und bauen darauf im Nu einen Basar auf. Da wir aber schon in  Aghouedir Schmuck und Arbeiten aus Sandstein gekauft haben, wollen wir nicht schon wieder einkaufen. Andererseits wollen wir die Leute auch nicht enttäuschen. So nehme ich ein Geschirrtuch, lege es in den Sand und präsentiere meinerseits meine Waren. Es entwickelt sich ein reger Tauschhandel und nach eineinhalb Stunden Feilschen und Scherzen haben wir unzählige Haargummis, etliche Kugelschreiben und Bleistifte, einen Nassrasierer, ein Tapetenmesser, mehrere Flascherl Parfum, eine Tomate, eine Taschenlampe, eine Plastikbox und das Geschirrtuch eingetauscht gegen Halsketten, aus Schuhsohlen gebastelte Kamele, einen Tabaksbeutel, einen Staubwedel aus dem Horn einer Ziege, einen Knochen und einige schöne Steine von der Art auf der wir ganzen Nachmittag gefahren sind. Die Einheimischen sind natürlich in enormer Überzahl und mit solchem Enthusiasmus bei der Sache, dass einige meiner Artikel, vor allem die Parfums, als Geschenk und nicht als Tauschobjekt den Besitzer wechseln. Jedenfalls, und das ist das Wichtigste, hat die Sache allen großen Spaß gemacht. Km 130/6.858.

Dienstag, 5. Dezember 6, Tag 18

Wir liegen noch im Bett, versammelt sich schon wieder ein Teil der gestrigen Tauschpartner vor dem Auto. Ich ernte Protest, als ich ihnen klarmache, dass wir heute nicht wieder Geschäfte machen. Beim Frühstück haben wir interessierte Zuseher, eine intensivere Morgentoilette muss entfallen. Der Brunnen El Beyyed (N21 29.431 W11 20.266) ist ein einfacher Ringschacht, der nicht über Bodenniveau ragt und auch nicht abgedeckt ist. Wie oft da wohl Tiere oder gar Kinder reinfallen? Bei einem anderen Brunnen finden wir ein interessantes Utensil: einen aus einem Autoscheinwerfer und einem Rohr gefertigten Trichter. Der Rückweg nach Atar verläuft in großem Bogen zwischen Dünen des Maqteir und dem Adrar-Massiv. Die Dünen sind zunächst fast weiß, später tauchen dahinter orangefarbene auf. Wir fahren zunächst am Dünenrand entlang, dann doch in die Dünen hinein, doch die sind echt gemein, weil sie immer wieder sehr weiche Felder aufweisen. Da wir mit extrem niedrigem Reifendruck fahren, brauchen wir heute nicht schaufeln. Aber ohne Untersetzung ist kein Weiterkommen möglich und nach einiger Zeit beschließen wir, unser Auto nicht unnötig zu quälen, da ohnehin das Getriebe einen Schnupfen hat. Das Verlassen der Dünen ist anspruchsvoll, immer wieder tauchen Trichter auf, die gerade so groß sind, dass ein Auto reinpasst. Da aber alle Wände sehr steil sind, wäre ein Rauskommen aus so einem Trichter ohne fremde Hilfe eine Unmöglichkeit. Einmal waren wir recht knapp dran: Wir fahren grade eine hohe Düne runter, als wir bemerken, dass es unten nicht eben weitergeht, sondern nach ganz schmaler Sohle gleich wieder rauf. Das war von oben nicht zu sehen. Es gelingt uns, das Auto längs zur Rinne zu bringen und mit Untersetzung und beiden Differentialsperren kriechen wir im Rückwärtsgang raus. Während wir mittagessen, pumpen wir unsere Reifen auf. Nach dem zweiten Reifen streikt unser Kompressor. Erst die Drohung mit einer diagnostischen Operation bringt ihn wieder zum Laufen, anscheinend ist nur der Schalter kaputt. Wir lassen ihn nun auf EIN. Auf flotter Piste geht es nun so rasch weiter, dass wir uns am Nachmittag Zeit für ein Sonnenbad nehmen. Leider ist es schon wieder mächtig windig. Später fahren wir mit über 100 km/h über die riesige Sebka Chemcham und übernachten in der Nähe des Brunnen Ain Toueiderguilt, etwa 25 Kilometer von Atar entfernt. Km 210/7.068.

Mittwoch, 6. Dezember 6, Tag 19

Bevor wir abfahren, machen wir beim Getriebe Visite und injizieren eine Dosis von 200 ml Oleum mechanicum, dabei bewährt sich wieder eine 60 ml-Plastikspritze (im medizinischen Fachhandel als "Blasenspritze" bekannt) mit einem aufgesteckten Schlauch. Leider müssen wir bei der Gelegenheit eine Fraktur der rechten  Blattfeder diagnostizieren, die unangenehmerweise eine Augenblatt betrifft. Wir nehmen uns vor, das Auto zu schonen. Dann geht's rasch nach Atar, wo wir tanken, Brot und Äpfel kaufen. Gescheites Gemüse ist nicht zu kriegen. Nun treffen wir uns mit den beiden Wienern, die wir in der Westsahara kennengelernt haben, auf dem Campingplatz von Justus Buma, einem Holländer. Die beiden sind in der Zwischenzeit die Strandroute nach Nouakchott gefahren, haben dabei heftig geschaufelt und mussten gestern ihren lecken Kühler löten lassen. Die beiden wollen in den nächsten Tagen eine ähnliche Runde fahren wie wir sie gerade gemacht haben. Wir hingegen wollen zu den Oasen Terjit, Oujeft und Nterguent, von wo wir versuchen wollen, einen Weg ins ca. 80 Kilometer entfernte Bou Naga zu finden. Diese Verbindung ist auf keiner Karte eingezeichnet, es finden sich nur Sanddünen. Da Terjit ein wenig abseits der Piste liegt und wir gerade in ein Gespräch vertieft sind, fahren wir versehentlich an der Oase vorbei und wollen gut zehn Kilometer später auch nicht mehr wenden. Schade, denn die Oase soll recht nett sein. Wir fahren also weiter nach Oujeft. Der Ort ist gespenstisch, da bereits am Ortseingang einzelne Häuser unter Sanddünen begraben sind. Im Ort selbst sind einzelne Straßen nicht mehr befahrbar, weil sich große Dünen auftürmen. Der Ort liegt auf einem Bergrücken, darunter ein offenbar ehemals fruchtbares Tal, das nun ebenfalls von Dünen "überrollt" wird. Auf einer Tafel ist von einem EU-Projekt zu lesen, das die Dünen stoppen soll. Irgendwelche diesbezüglichen Maßnahmen sind nicht erkennbar. Es folgt ein längeres Stück Wellblechpiste, gelegentlich schiebt sich auch hier eine Düne darüber. An einer Gabelung (N19 52.178 W13 00.434) fahren wir gefühlsmäßig rechts und gelangen auf einen kleinen Pass, von dem man in ein Tal blickt, das ebenfalls von Sand aufgefressen wird. Am Talrand liegt allerdings eine großes Dorf, fast eine Stadt, in keiner Karte eingezeichnet. Es handelt sich um Maaden (N19 51.475 W13 00.947), der Ort zählt ca. 1.000 Einwohner. Da eine Weiterfahrt hier nicht möglich ist, fahren wir bis zur Gabelung zurück und nehmen den linken Weg. Nach einiger Zeit senkt sich die Piste und es bietet sich wieder, nur hier noch viel deutlicher und vor allem beängstigender, der Blick auf ein riesiges Dünengebiet, das ein ganzes Tal ausfüllt. Die Dünen sind jeweils nicht besonders hoch, aber ineinander und vor allem übereinander geschachtelt, so dass ein Befahren auf den ersten Blick unvorstellbar ist. Doch die Strecke nach Nterguent muss hier irgendwo durchgehen. Am Rande dieser Dünen, am Fuß einer gut haushohen "Killerdüne", übernachten wir. Km 140/7.208.

Donnerstag, 7. Dezember 6, Tag 20

Drüberschlafen hat sich gelohnt: Hat es gestern noch so ausgesehen, als ging es hier nirgends durch, ist es heute ganz einfach, zwischen einigen großen Dünen tut sich ein Tal auf. Dann aber eine Steigung im weichen Sand, die erst im fünften Anlauf mit extrem niedrigem Reifendruck bewältigt werden kann. Überhaupt haben wir noch nie so oft wie heute an einem Tag Luft in die Reifen gepumpt und wieder abgelassen. Es wechseln sehr weichsandige mit grobsteinigen Passagen. Als wir nach einem kleinen Dorf wieder mal den Kompressor laufen haben, kommen zwei Wanderer. Der eine zeigt mir eine alte Wunde an der großen Zehe. Sie ist nicht infiziert, aber es ist viel Sand drin. Ich entferne zunächst die abgestorbene Haut über der Wunde, wasche dann die Zehe, gebe Salbe und einen Verband drauf. Wie lange es dauern wird, bis er wieder Sand in der Wunde hat, weiß ich nicht, jedenfalls steigt er hocherfreut in seine Schlapfen (nicht nur ich trage dieses hochwertige Schuhwerk, sondern auch praktisch jeder Afrikaner, der nicht barfuß unterwegs ist), bedankt sich und marschiert weiter. Ein wenig später bietet ein Brunnen mit gutem Wasser Gelegenheit zu einer Dusche. Oftmals ist die Orientierung ein großes Problem. Immer wieder ist die Richtung unklar, fahren wir in ein falsches Dünental, in dem es nicht weiter geht. Einmal müssen wir sogar über fünf Kilometer zurück. Es ist schon weit nach Mittag und noch immer ist Nterguent nicht erreicht. Wir vermuten, dass der Ort nicht ganz genau in der Karte eingezeichnet war und wir daran vorbeigefahren sind. Oder der Ort bestand nur aus ein paar Hütten, wie wir sie mehrmals passiert haben. Jedenfalls kommen wir am Abend bereits in die Nähe von Bou Naga, das ist jener Ort, wo sich unsere Strecke von Süd auf West dreht und von wo wieder ein Strich auf der Landkarte ist (für besonders Interessierte, hier nochmals ein Link auf die Landkarte) und das ist auch gut so, denn wir haben bisher viel mehr Treibstoff verbraucht, als wir veranschlagt haben: Wir haben knapp ein Drittel der Strecke Atar-Nouakchott hinter uns, und auch gut ein Drittel Sprit verbraucht. Die Landkarten geben ab Bou Naga zwar nur noch 415 Kilometer an, da sollte der Sprit in normalem Gelände bei weitem reichen, aber die Karten geben erst ab hier sandiges Gebiet an und da kann der Verbrauch auch mal die 30 Liter erreichen. Und wer weiß, ob wir nicht, wie bisher auch schon öfter, etliche Kilometer falsch fahren und zurück müssen, ob wir nicht immer wieder größere Dünenfelder umfahren müssen... Jedenfalls ist Umdrehen, wenn die Hälfte Sprit verbraucht ist, noch immer eine Option. Wir rechnen jedoch derzeit noch fest damit, dass wir zumindest bis auf die Asphaltstraße bei Ouad Naga kommen. Eine andere Sache beschäftigt uns noch: An dem Federnpaket, wo das eine Federblatt gebrochen ist, verbiegen sich zunehmend weitere Federn, die vermutlich in nächster Zeit brechen werden. Km 138/7.346.

Freitag, 8. Dezember 6, Tag 21

Wie schon gestern erwähnt, schwenken wir heute nach Westen. Dabei taucht der Ort Bou Naga aber nirgends auf, nicht einmal ein paar Hütten erscheinen, keine Nomanden sind zu sehen, hier ist einfach nichts. Wir kontrollieren unsere GPS-Berechnungen, doch die sind korrekt. Anscheinend ist der Ort falsch auf den Karten verzeichnet, oder es gibt ihn gar nicht. Erst zu Hause erfahren wir per Internet-Recherche, dass die ehemalige Uranmine Bou Naga seit 30 Jahren stillgelegt ist und ein paar Stahlträger und Eisentanks, die wir bei N18 58.860 W13 18.400 passiert haben, der einzige Rest sind. Wir durchfahren nun ganzen Tag sandige Ebenen, dann und wann eine große Sebka, zwischendurch tauchen auch die gemeinen Sicheldünen auf, die nicht überfahren werden können, aber sie lassen sich meist einfach umfahren. Nur einmal haben wir kurz Schwierigkeiten, durchzufinden (siehe Foto). Im wesentlichen fahren wir einen mehrere Kilometer breiten ebenen Korridor entlang, dessen Ränder von unüberwindbaren Dünen ohne Ende nach Norden und Süden gebildet werden. Je weiter wir kommen, desto öfter tauchen auch Autospuren auf, die aber Wochen, wenn nicht Monate title sind. Dadurch wird die Orientierung zunehmend leichter. Insgesamt geht es recht rasch dahin, die Strecke ist technisch im Gegensatz zu der Etappe bis Bou Naga recht einfach und daher sinkt der Dieselverbrauch merklich. Wenn wir am Abend unseren Tank umpumpen, werden wir für zwei Drittel der Strecke nur knapp die Hälfte unseres Treibstoffs verbraucht haben. Ab Mittag bilden die Spuren, denen wir folgen, fast eine Piste, auf der immer wieder Geschwindigkeiten bis 80 möglich sind. Ein am Pistenrand liegendes Autowrack löst das Rätsel der Piste: Hier ist eine Rallye, vielleicht die Dakar, vorbeigegangen. Wir sind froh, dass wir es nicht so eilig haben. Am Nachmittag machen wir eine längere Relaxpause, liegen auf einer Düne, lesen, trinken ein kaltes Cola, genießen die Wüste, die Stille, die Zweisamkeit. Der lästige Wind der letzten Woche hat nun nachgelassen, heute ist es erstmals bewölkt. Auf der Weiterfahrt sollten wir eigentlich Aguilal Fai passieren, doch auch hier ist nichts, keine Menschenseele. Wie trügerisch wäre es, sich darauf zu verlassen, dass man hier Wasser, Nahrung, Treibstoff, Hilfe oder was auch immer bekommen würde! Es rumpelt heute recht wenig, weshalb es uns überrascht, dass ausgerechnet heute unser zweites GPS-Gerät von der Windschutzscheibe fällt. Die Halterung ist abgebrochen und wird am Abend profisorisch repariert, man beachte die Schreibweise! Km 228/7.574

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