Woche 2

Samstag, 25. November 6, Tag 8

Nach nur kurzer Fahrt landen wir wieder einmal in einer Sackgasse. Wir haben nicht die Piste erwischt, auf der wir gestern gekommen sind, sondern die Zufahrt zu einer Baustelle, wo Schächte in den Boden gegraben werden. Ein Minibergwerk, nehmen wir an. Die Arbeiter sind freundlich und beschreiben uns den richtigen Weg. Einer hätte gerne Kinderkleidung, ein anderer wenigstens eine Zigarette, beiden können wir nicht dienen. Bald ist die richtige Piste erreicht. Sie führt auf einen Pass und dann zwischen zwei Gebirgszügen dahin. Der Weg ist recht steinig und es geht nur langsam voran. Obwohl hier kaum Verkehr ist - es begegnet uns auf den etwa 100 Kilometern bis Zagora nur ein Auto -, stehen dann und wann Kinder an der Straße und verkaufen Handarbeiten oder Fossilien. Endlich gelangen wir ins Draa-Tal, in dem die Oase Zagora liegt. Wir kaufen Gemüse und Datteln und suchen eins der zahlreichen Internetcafes auf. Leider beginnt nun ein heftiger Sandwind, der bis zum Abend anhält. Bis Mhamid, das knapp 100 Kilometer südlich von Zagora liegt, gibt es eine Asphaltstraße, die allerdings so schmal ist, dass bei Gegenverkehr immer einer runter muss. Zweimal führt die Straße auf Gebirgspässe, von wo man einen schönen Ausblick auf das Draa-Tal hat. Dieses, ebenso wie das Wadi Ziz, ist in Gebirgsnähe ein breiter Fluss, je weiter es aber die Berge verlässt, desto dünner wird das Gewässer, bis schließlich nur noch Pfützen stehen und es in der Wüste versiegt. In Mhamid haben wir erstmals anständigen Sand unter den Rädern, doch es sind nur Sanddünchen, kein Vergleich mit dem was wir aus Libyen oder dem Niger kennen. Am Abend passieren wir die heilige Quelle des Abd-er-Rachman und suchen uns in sicherer Entfernung einen Nachtplatz. Nach Sonnenuntergang lässt endlich der Wind nach. Km 234/4.119.

Sonntag, 26. November 6, Tag 9

Bald kommen wir zum Brunnen Hassi Selba, in dem in nur ca. einem Meter Tiefe das Grundwasser steht. Das ist kein Wunder, denn hier gab es einen kleinen See, bevor die Staudämme im Atlas-Gebirge gebaut wurden. Ganz in der Nähe beginnt der Erg M'Hazil, ein kleines Sanddünengebiet, das wir befahren, um wieder ein wenig Übung im Dünenfahren zu bekommen. Die Piste außerhalb der Dünen ist ohnehin recht rumpelig. Einmal bleiben wir auch im Sand stecken und die Schaufel muss her. Kurz darauf queren wir wieder einen ehemaligen See, den über zehn Kilometer langen Lac Iriki. Auf trockenem völlig ebenen Boden kann man problemlos 100 km/h fahren und das total rüttelfrei. Auf dem See machen wir Mittagsrast und kommen kurz darauf zu einem Militärposten. Die beiden Soldaten laden uns zum Tee ein, unhöflicherweise lehnen wir ab, da wir vom Mittagessen noch voll sind. Nun kommt ein elendes Stück Steinpiste, das dem Wagen und unseren Nerven mächtig was abverlangt. Nach etwa 20 Kilometern (ca. N29 54.5 W6 40.7) zweigt links im rechten Winkel eine gute Piste ab, die wir auf gut Glück nehmen, denn auf der geht's wieder schneller, nach dem Motto: I woaß zwoar net wo's hingeht, dafia bin i schneller dort. Nach einigen Kilometern biegt die Piste nach rechts und verläuft dann annähernd parallel zur Rumpelpiste. Bald darauf erreichen wir Foum Zgouid, den kleinen Ort, an dem die Asphaltstraße vom Atlantik endet. Hier geben wir wieder ordentlich Druck in die Reifen und schon brausen wir gen Westen. Was wir uns nun noch wünschen, ist Musik aus dem Autoradio. Doch leider ist der CD-Player schon seit Spanien kaputt und im Radio gibts außer Rauschen nur Sausen. Km 265/4.384.

Montag, 27. November 6, Tag 10

Am Vormittag stoßen wir in Bouizakarne auf die 2.300 Kilometer lange N1, die an der Küste von Tanger bis an die mauretanische Grenze verlaufende Fernverkehrsstraße. Da wir wissen, dass in Marokko selbst der allerhinterste Polizeiposten mit einer Laserpistole ausgestattet ist, halten wir die Geschwindigkeitsbegrenzungen (in Orten meist 40) penibel ein. Und doch passiert etwa zehn Kilometer vor Tan-Tan das Unglück: Zunächst sieht es aus wie eine normale Verkehrskontrolle, aber der Inspektor zeigt mir sofort die Anzeige auf seinem Messgerät - 109 km/h. Das sollte eigentlich kein Problem sein, denke ich, da war bestimmt keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Doch der Inspektor ist anderer Ansicht und spricht von einer 60er-Tafel, die ich übersehen habe. Die Unachtsamkeit kostet 400 Dirham (40 Euro). Gut, dass ich kurz zuvor in Guelmin einige Scheine aus einem Bankomaten gezogen habe. Das Ausstellen der Quittung dauert gut zehn Minuten. Wahrscheinlich soll man nicht nur finanziell Buße tun, sondern man muss, wie beim Mensch-ärgere-dich-nicht kurz aussetzen. Kurz nach Tan-Tan kommen die ersten billigen Tankstellen, die schon den Superpreis der Westsahara haben. Leider haben wir unseren Spritverbrauch überschätzt und wir haben noch geschätzte 60 Liter Diesel an Bord. Als die Straße dem Atlantik nahe kommt, finden wir eine schöne Stelle mit Dünen bis zum Wasser, wo wir ein erfrischendes Bad nehmen. Fünf Kilometer vor der Grenze zur Westsahara übernachten wir. Km 635/5.019.

Westsahara

Dienstag, 28. November 6, Tag 11

Vor dem Losfahren umsorge ich wieder einmal unser Getriebe und liebkose es mit einem guten halben Liter Öl. In Laayoune, wo wir ein Internetcafe aufsuchen und Gemüse einkaufen, treffen wir ein Wiener Pärchen, das mit einem Puch G nach Gambia unterwegs ist. Wir unterhalten uns bei einem Kaffee und vereinbaren einen lockeren Kontakt via Sat-Handy, da wir in Mauretanien ähnliche Ziele haben. Internet kostet übrigens 3 bis 6 Dirham pro Stunde (0,30 - 0,60 EUR); größere Orte sind mit ADSL versorgt. Auch unser Gemüseeinkauf ist recht günstig: Da alles den gleichen Preis hat, kommen Tomaten, Gurken, Rettich und Pfefferoni zusammen auf die Waagschale. Knapp zwei Kilo kosten 7 Dh (0,70 EUR). Im Kaffeehaus bezahlen wir für zwei sehr leckere Café au lait und drei Stück Blätterteiggebäck 15 Dh (1,50 EUR). In Boujdour essen wir in "unserem" Straßenrestaurant Grillhendl mit Pommes und gemischtem Salat. Inclusive zwei Limonaden bezahlen wir 60 Dirham (6 EUR). Gelegentlich kommt es schon vor, dass uns Touristenpreise verrechnet werden, wie etwa gestern zu Mittag, wo uns der Wirt für zwei Tajinen, zwei Wasser, eine Kanne Tee und nicht bestellte zwei Portionen Pommes, die nach Fisch schmeckten, 98 Dh (10 EUR) berechnete. In Boujdour wird ein großer Hafen gebaut. Seit einem Jahr werden tausende riesige, zumindest fünf Meter hohe, vierstrahlige Betonsterne hergestellt, die später die Hafeneinfassung bilden werden, indem sie sich ineinander verkeilen und Schuttmaterial Halt geben werden. Südlich von Boujdour machen wir wieder einen Abstecher an den Strand zu einem Bad. Am Nachmittag stellen wir fest, dass unsere Dieselpumpe den zweiten Tank nicht leerpumpt, das heißt, dass wir, obwohl wir 250 Liter tanken können, nur über 200 Liter verfügen können. Wir haben aber etliche Ideen, diese 50 Liter rauszukriegen, wenn's mal drauf ankommt. In der Westsahara gibt es reichlich Tankstellen, sodass das zur Zeit gar kein Problem ist. Diesel kostet hier 4,43 Dh, das sind 0,44 Euro. Am Abend überholen wir Felix aus Baden, der mit dem Motorrad alleine nach Kapstadt unterwegs ist. Es gibt also mehr solche Verrückte wir uns, die es zu Hause nicht lange aushalten. Nach einem eher langweiligen Fahrtag durch öde Landschaften übernachten wir gegenüber der Spitze der Halbinsel Dakhla auf dem Festland. Km 621/5.640.

Mittwoch, 29. November 6, Tag 12

In der Früh ist es ungemütlich: kalt und windig. Wir starten ohne Frühstück. An der letzten Tankstelle in der Westsahara füllen wir Tanks und Kanister randvoll. Hier treffen wir nochmals auf die beiden Wiener, mit denen wir im an der Tankstelle angeschlossenen Cafe frühstücken. Zu Mittag kommen wir an die Grenze. Die Abfertigung an marokkanischer Seite dauert etwa eine Stunde: Wir müssen in die Büros von Gendarmerie, Polizei und Zoll. 

Mauretanien

Dann geht's über eine holprige Piste durch's Niemandsland bis zu den mauretanischen Posten, wieder Gendarmerie, Polizei und Zoll, alles zusammen wieder eine Stunde. Bei der Polizei erhalten wir um 20 Euro pro Person das Visum für 30 Tage, das ist um einiges billiger und vor allem schneller als in Bonn, wo es drei bis vier Wochen dauern kann. Am Zoll müssen wir neben der üblichen Ehrenerklärung, in der man sich verpflichtet, sein Auto wieder auszuführen und nicht im Land zu verkaufen, noch eine Devisenerklärung ausfüllen. Die Zollformalitäten kosten 10 Euro, im Auto wird nicht herumgeschnüffelt. Unmittelbar neben dem Zoll gibt es jetzt auch ein in einem Wohnwagen untergebrachtes Versicherungsbüro, wo wir um 39 Euro eine Fahrzeugversicherung für einen Monat abschließen, sowie eine Wechselstube, die 300 Ougya für einen Euro gibt, während die Schwarzhändler 1:325 tauschen. (Für Insider: Das Versicherungsbüro im Wohnwagen an der Kreuzung Nouadhibou/Nouakchott ist nicht mehr geöffnet.) Kurz nach der Grenze, nahe am Bahngleis, nehmen wir eine Jause ein und können dabei einen zufällig vorbeifahrenden Zug bestaunen. Hier transportiert der angeblich längste Güterzug der Welt zweimal täglich Eisenerz über 600 Kilometer von Zouerat im Landesinneren an die Küste nach Nouadhibou. Der Zug ist bis zu zwei Kilometer lang und wird von mehreren Lokomotiven gezogen. Wir wollen nun dieser entlang der Grenze zur Westsahara verlaufenden Bahnlinie nach Osten folgen, bleiben dabei immer südlich der Gleise, weil nördlich angeblich noch Minen liegen. Wir durchfahren eine ebene, teils sandige, oftmals mit Grasbüscheln bewachsene, teils steinige Wüstenebene. Anfangs zeigen sich einige einzelne hohe Sanddünen, später ist alles einfach nur eben. Km 429/6.069.

Donnerstag, 30. November 6, Tag 13

Heute wechselt ganzen Tag die Landschaft kaum. Es ist mehr oder weniger sandig mit etwas Grasbewuchs. Entlang der Bahnlinie tauchen gelegentlich sehr armselige Behausungen auf, hin und wieder eine kleine Ziegenherde, dann und wann ein paar Kamele. Zweimal kommt uns der Erzzug entgegen. Susi zählt drei Lokomotiven und 169 Waggons. Am frühen Nachmittag machen wir eine längere Rast, sitzen in der Sonne und lesen. Doch leider ist es schon ganzen Tag stark windig, so dass wir nach kurzer Zeit voll Sand sind. Am Abend taucht dann am Horizont Ben Amira auf, der angeblich nach dem Ayers Rock weltweit zweitgrößte Monolith. Wir schießen einige Fotos und suchen uns in der Nähe einen Nachtplatz. Dabei brauchen wir mehrmals die Bleche, weil wir in lockeren Sandfeldern steckenbleiben. Km 237/6.306.

Freitag, 1. Dezember 6, Tag 14

Gleich in der Früh nehmen wir einige der kleineren Monolithen in der Nähe in Augenschein: Manche haben noch große glatte Flächen, die davon zeugen, dass sie wirklich einmal nur ein riesiger Stein waren, andere sind schon stärker verwittert, wieder andere nur mehr Steinhaufen. Wir fahren wieder der Bahn entlang, fotografieren ein paar Kamele, halten an einem Brunnen direkt am Bahngleis. Da kommen von der anderen Seite der Schienen ein paar Kinder gelaufen und im nächsten Moment sind wir von einer ganzen Familie umringt: Mutter und sechs Kinder im Alter von einem halben bis zwölf Jahren. Wir spendieren Grießbrei, der aber den kleinen nicht besonders schmeckt.  Wir werden zum Tee gebeten und folgen der Familie zum nahe gelegene Nomadenzelt. Zunächst werden noch die sechs Jungen der kleinen Ziegenherde in  ein käfigähnliches Ding gesperrt, damit den Muttertieren Milch bleibt.  Im Zelt ist angenehmerweise vom Wind nichts mehr zu spüren. Es ist mit Teppichen ausgelegt und beherbergt außer einigen Polstern keine Gegenstände. Die Zwölfjährige bringt von draußen ein Stövchen herein und kocht Tee, von dem wir jeder drei kleine Gläser voll kriegen. Die Mutter stößt mit uns an, als wär's Schnaps, nebenbei hat sie den Kleinsten am Busen. Die anderen Kinder sitzen oder liegen um uns herum und wir machen Spaß mit ihnen. La Mere erzählt uns, dass ihr Mann bei der Bahn in Ben Amira arbeitet und die Familie dort ein "Haus" hat, vermutlich eine der Blechhütten, die wir im Vorbeifahren gesehen haben.  Sie zeigt uns einen unfertigen Teppich, an dem sie arbeitet und bietet uns einige Gegenstände zum Kauf an, das eine besteht aus einem Knochen, Haaren und ein paar Fetzen Stoff, erinnert irgendwie an eine Puppe, das andere sind selbstgemachte lederne Etuis für Teppichnadeln oder Tabak, schließlich noch ein paar Armreifen und Halsketten. Wir bedanken uns für die Gastfreundschaft mit dem Kauf eines Etuis und eines Armreifens, drücken dabei beim obligaten Handeln ein Auge zu und den Preis nicht allzu tief. Wir verschenken noch ein paar Packerl Grießbrei und ein Flascherl Parfum und dürfen vor dem Aufbruch noch einen Blick in die Küche werfen, ein sehr kleines zweites Zelt in unmittelbarer Nähe des ersten. Darin befinden sich Vorräte in Säcken sowie ein aus einem Ölfass hergestellter Ofen. Auf der Weiterfahrt durchfahren wir weichsandige Felder, queren einige Dünen und machen auf einer Felsplatte Mittagsrast. Scheinbar aus dem Nichts tauchen plötzlich zwei Buben auf, die ich näherwinke und zur Jause einlade. Vollkornbrot schmeckt ihnen nicht, Tomaten kennen sie anscheinend nicht, essen sie aber. Besondere Freude haben sie mit einem Stück Brioche und mit dem Grießbrei. Der eine fragt, ob ich nicht eine Armbanduhr für ihn hätte. Da ich nur die eine habe, die ich trage (und nebenbei sehr bezweifle, dass er die Uhrzeit ablesen könnte), male ich ihm eine Uhr auf den Arm und schenke ihm den Kugelschreiber. Er strahlt. Kurz vor Choum hört der Sand auf, die Piste wird sehr hart und wir erhöhen den Reifendruck. Choum ist ein kleinerer, ziemlich erbärmlicher Ort, wir kriegen aber zu überhöhtem Preis Brot (dafür wird die im Reiseführer angeführte Verkehrsabgabe nicht mehr eingehoben) und Treibstoff wird uns angeboten. Wir wenden uns nun nach Süden und fahren entlang einer Falaise auf staubiger Piste mit reichlich Wellblech Richtung Atar. Immer wieder passieren wir nette Felsformationen. Km 126/6.432.

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