Libyen Februar/März 2004Schatzsuche Montag, 1. März 4 Heute läuft vieles nicht plangemäß: Zuerst merke ich nach dem Aufstehen, dass mein Fuß höllisch schmerzt. Susi versucht, den Fremdkörper mit einer Nadel zu entfernen, es tut aber schrecklich weh. Erst, nachdem ich mir eine Betäubungsspritze verpasst habe, die auch fürchterlich weh tut, kann Susi einen 3 mm langen Holzsplitter entfernen. Nun noch eine Schmerztablette und dann sollte die Sache hoffentlich erledigt sein. |
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Wir fahren gemütlich auf schlechter Piste Richtung Wau el Kebir, passieren von gelangweilten Reisenden aufgetürmte Steinpyramiden, kürzen dann ab und fahren ab N25 22.995 E17 00.839 Richtung Osten direkt auf Wau el Kebir zu. Die auftauchende Militäranlage wollen wir nördlich umfahren, doch S. drängt auf Umfahrung im Süden. Nach ein paar Fotos bei wunderschönen Palmen erreichen wir die Wasserstelle, an der gerade einer unter einem riesigen Wasserrohr sein Auto wäscht. Bevor wir uns ans Wasser begeben wollen wir allerdings tanken. |
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Die Tankstelle ist schwer zu finden, ein Toyota-Fahrer, den wir nach dem Weg fragen, fährt vor und führt uns zu einem Flugplatz ca. 10 km entfernt. Dort erwarten uns ca. sechs junge Männer mit Maschinengewehren. Aber Diesel gibt es da nicht. Zunächst heißt es, wir müssen einzeln unter Begleitung eines Soldaten zur Tankstelle fahren. Norbert macht mit S. den Anfang. Wir übrigen werden in die sehr unsaubere Unterkunft zu Kaffee und Orangen eingeladen. Nach einer halben Stunde kommt ein Fahrzeug. Es ist aber nicht Norbert, sondern S. mit einem Fremden. Dieser ist offensichtlich ein höherer Militäroffizier, allerdings in Zivilkleidung. Er nimmt uns alle mit "zur Tankstelle". Zuvor müssen wir uns von und mit den Soldaten fotografieren lassen, was wir amüsant finden, wo man doch üblicherweise bei militärischen Einrichtungen nicht fotografieren darf. Im Hauptquartier – übrigens genau jene Anlage, die wir ganz am Anfang großräumig umfahren haben – werden wir gastfreundlich empfangen: Es gibt zunächst Tee, dann Thunfisch mit Tomaten, Pfefferoni und Brot, sowie Eier, dann nochmals Tee. Erst dann geht’s ans Tanken: aus einem gut 10 cm dicken Plastikschlauch werden unsere Tanks befüllt und das völlig kostenlos. Wir überreichen ein paar kleine Aufmerksamkeiten, unter anderem Tapezierermesser, die scharf zu sein scheinen, da sich einer der Beschenkten gleich damit in die Hand schneidet. Nun fahren wir zurück zur Wasserstelle, wo wir es genießen, unsere staubigen Körper einer gründlichen Reinigung unterziehen zu können.
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Als wir gerade weiterfahren wollen, bemerkt Norbert, dass zwei Schweißstellen seines Dachträgers aufgegangen sind. Er entlädt sein Fahrzeug und fährt mit T. zurück zum Militärstützpunkt, wo man die Reparatur sehr geschickt und noch dazu kostenlos durchführt. Auf Grund dieser Verzögerung übernachten wir in Wau el Kebir und wollen morgen zu unserer "Schatzsuche" aufbrechen. Dienstag, 2. März 4 1942 hat Benjamin Nikolaus Richter, ein ostdeutscher Geograf, eine Expedition zum Wau an Namus unternommen, zusammen mit einem Geologen, einem Kartografen, einem Archäologen, einem Meteorologen und einem Astronomen. Dabei haben sie versucht, von Norden zum Vulkan zu gelangen, wobei sie die Haruj al Aswad umfahren mussten. Später behinderten Weichsandfelder die Anfahrt zum Wau an Namus. Zudem war die Navigation ohne verlässliche Landkarten und Satellitennavigation schwierig. Es gab nur Kompass, Kilometerzähler und Sextant, den man aber auch nur in der Nacht verwenden konnte. Durch leichtsinniges Verhtitleen wurden dann Wasser und Benzin knapp. Schon musste man das Kühlwasser der Fahrzeuge trinken und nur durch großes Glück gelang es ihnen, Wau el Kebir zu erreichen. Wau el Kebir war damals eine Strafkolonie, wo man Schwerverbrecher, die sich des Mordes, Totschlags oder Raubes strafbar gemacht hatten, hinverbannte. Diese Leute durften ihre Familien mitnehmen und mussten sich in Wau el Kebir selbst versorgen. Eine besondere Bewachung war nicht nötig, da eine Flucht ohne Fahrzeug aus dieser Oase nicht möglich war. 1955 reiste Benjamin Richter neuerlich zum Wau an Namus, diesmal von Westen her. Zum Transport von Vorräten und Ausrüstung wurde der Forschergruppe ein LKW für einige Tage zur Verfügung gestellt. Während die Fahrt bis Wau el Kebir problemlos vonstatten ging, gesttitleete sich die weitere Fahrt sehr schwierig, weil die Personenwagen ohne Allrad ständig im Weichsand stecken blieben. Da der LKW nach einiger Zeit wieder zurückfahren musste, wurden die Güter einfach abgeladen und die Gruppe um Richter zurückgelassen. Nach mehreren weiteren vergeblichen Versuchen gelang es schließlich doch, zum Wau an Namus vorzudringen. Nach ca. sechswöchiger Forschungsarbeit kehrte die Gruppe nach Sebha zurück. Da nun der LKW nicht mehr zur Verfügung stand, nahm ich an, dass nicht alle mitgebrachten Dinge zurücktransportiert werden konnten, auch wenn vieles, wie Wasser, Lebensmittel, Treibstoff, ja aufgebraucht war. Was liegt daher näher, als nachzusehen, ob nicht vielleicht heute noch Relikte dieser Expedition zu finden sind. Richter beschreibt in seinem Buch "Auf dem Weg zur schwarzen Oase" die Stelle recht deutlich, so dass wir mit Hilfe genauer Landkarten das Suchgebiet an einer Piste im Wadi Fareq auf eine Fläche von etwa 0,5 x 2 Kilometer eingrenzen können. |
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Wir fahren von Wau el Kebir, Richters Aufzeichnungen folgend, zunächst nach Westen, um dann auf Kurs Süd-Süd-Ost zu schwenken. Die Gegend ist ganz flach und nicht gerade einladend. Die Piste ist zum Teil sandverweht. Zudem ist es heute dunstig, sehr heiß und sehr windig. Nach gut 50 Kilometern haben wir das Suchgebiet erreicht. Wir teilen uns auf und fahren das Gelände ab. Bald finden wir die Reste eines Lagerplatzes. Kann das Richters Lager sein? Wir finden eine Menge Müll: Konservendosen, Batterien, Reste von Schuhen und schließlich italienische Zeitungen aus den Siebziger-Jahren. Also nicht Richters Lagerplatz. Wir suchen weiter und finden zunächst eines, dann mehrere Holzstücke, die offenbar von Kisten stammen. Von Richter? Wir wissen es nicht. Leider sind keine Aufdrucke erkennbar, denn wie ich von Michael Rolke, dem Biografen von Nikolaus Richter, erfahren konnte, waren auf Richters Kisten Werbeaufdrucke angebracht, die eine Zuordnung zu Richter erlaubt hätten, da Rolke alle Sponsoren, Ausrüster und Zulieferer Richters ausfindig machen konnte. Ebenfalls von Herrn Rolke weiß ich, dass Richter ein großes Benzinfass, das als Briefkasten, Notvorratslager und Wegmarkierung diente, zurückgelassen, es aber nicht mit Sand beschwert hat, so dass es kein Wunder ist, dass es heute nicht mehr auffindbar ist. Die Frage, ob wir also wirklich Reste von Richters Lager gefunden haben, muss also ungeklärt bleiben. Aber das ist so ähnlich wie mit dem olympischen Gedanken: Die Suche hat Spaß gemacht. Auf der Rückfahrt beschließen wir, nicht die Ecke nach Wau el Kebir auszufahren, sondern direkt nach Norden auf die Piste Wau el Kebir-Timsah zuzufahren, was sich nachträglich als wenig gute Idee herausstellt: Unzählige trockene aber steinige Flussläufe stellen sich uns in den Weg, Felder mit sehr großen Steinen behindern die Fahrt. Zum Schluß macht eine Schichtstufe Ausweichen nach Osten nötig. Dann endlich die ersehnte Piste, auf der wir westwärts kriechen. Am Point of Return vom Vorjahr werden Erinnerungen wach ... Die Typen an der Militärkontrollstelle sind freundlicher als voriges Jahr und lassen sich mit ihren Kalaschnikows fotografieren. Wir kriegen grauslichen Kaffee in ebensolchen Bechern. Dann geht’s mühsam weiter, natürlich schaffen wir es nicht mehr bis Timsah, sondern wir campieren auf halber Strecke zwischen Wau el Kebir und Timsah. |
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