Libyen März 2003Sebha - Wau an Namus Freitag, 14. März 3 Wegen nächtlicher Ruhestörung durch neugierige Autofahrer, die um 3 Uhr morgens durch die Einöde fahren, sind wir nicht so ganz besonders ausgeschlafen. Unser Kompressor ist super, in wenigen Minuten haben wir wieder anständig Druck in den Reifen, wir fahren wieder auf die A3 und brausen mit 100-120 km/h nach Süden: Die Landschaft ist bretteleben und wechselt nur farblich ab: manchmal hellbraun, manchmal ocker, ein mal dunkelbraun, fast schwarz und ein mal weiß. Es gibt immer wieder Straßenkontrollen. Die Polizisten sind meist freundlich und wollen meist eine Kopie unseres Reisedokumentes, einmal auch die Pässe. Ca. 100 km südlich von Abu Grin treffen wir bei einem alten Fort eine Gruppe Deutscher in einem uralten Bus mit Schlafkojen. Sie sind drei Wochen unterwegs und fahren eine ähnliche Route wie wir nur in der Gegenrichtung. Die schwärmen uns vom Wau-an-Namus vor, den wir unbedingt ansehen sollten. Eigentlich hatten wir den aus Zeitgründen schon gestrichen, nun entschließen wir uns aber doch, hinzufahren. Später, bei der Zufahrt zur Mittagsrast schätze ich den Böschungswinkel falsch ein und verbiege die Kabinen-Einstiegstreppe, kann sie aber einigermaßen ausbiegen. Bei der Gelegenheit sehe ich vom Zusatztank etwas runterhängen: Gottseidank es ist nicht die Aufhängung, sondern nur der dazugehörige Gummi, den befestige ich mit Draht (ist glücklicherweise im Werkzeugkoffer!). Fallweise bremsen uns Straßenschäden; hunderte kaputte Reifen und manch Autowrack zieren die Straße. In Sebha telefoniere ich kurz mit unseren Lieben zu Hause. Südlich von Sebha suchen wir einen Rastplatz, das ist aber nicht so einfach, weil es noch immer eben ist und nirgends ein Hügel oder auch nur ein paar Pflanzen zu finden sind, hinter denen man sich verstecken könnte. Auf einen Tipp im Reiseführer fahre ich an einer Schichtstufe ins Gelände, doch nach kurzer Zeit sanden wir ein, brauchen zwei Mal Schaufel und Sandbleche, dann geht es mit Trara über Steine und Mugeln wieder auf die Straße. Dabei öffnet sich, wie wir später feststellen, die Tür des Vorratsschrankes und alle Lebensmittel kugeln durcheinander auf den Boden. Nur wenige Kilometer südlich finden dann einen Rastplatz im Hof einer schwarzen Bauersfamilie. Er kann sogar ein paar Brocken Englisch, die Kinder sind schüchtern und haben schlechte Zähne. Nach über 700 Kilometern Fahrt ist Susi mit den Nerven ein wenig runter, wäre gern zu Hause, lässt sich aber trösten und kocht sogar Rindfleisch mit Nudeln und Sauce. Km 35.769 (736/2.847) Samstag, 15. März 3 Wir stehen ausnahmsweise um 7 Uhr mit Wecker auf, schließlich haben wir eine große Etappe vor uns: Wir wollen bis Wau al Kebir. Die Abkürzung nach Timsah laut Landkarte finden wir nicht und fahren daher auf der A16/A15 (Göttler). In Timsah, das wir gegen 12 Uhr erreichen, fahren wir zunächst falsch und während wir uns noch orientieren, taucht ein junger Bursche mit einem himmelblauen Toyota auf (in Timsah fahren übrigens fast alle den gleichen himmelblauen 45er Landcruiser) und zeigt uns den Weg, der durch einen wunderschönen Palmenhain führt. Über den nun folgenden Streckenabschnitt schreibt Göttler: "Wenn Sie mit einem normalen PKW unterwegs sind, d.h. ohne Allrad, sollten Sie hier ... die Trasse ... verlassen und mit einem Abstand von 500 m bis 1 km parallel zu ihr weiterfahren. Hier überqueren wir auf einer Tenne das östliche Ende des Murzuk-Ergs. Kein Problem, wären da nicht die tiefen und aufgewühlten Spuren - und eben darum rate ich, diese seitab zu verlassen." Wir lassen also ordentlich Luft aus den Reifen und starten mit 1 bar zunächst auf der Trasse, die, je weiter wir fahren, von umso mehr Spuren verlassen wird, sodass wir zuletzt auf jungfräulicher sandverwehter Piste fahren. Da nun keine tiefen und aufgewühlten Spuren unsere Fahrt behindern, beschließen wir, auf der Piste zu bleiben und nicht daneben parallel zu fahren. Ein Fehler, wie sich nach etwa fünf Kilometern herausstellt: Wir bleiben im immer tiefer werdenden Sand stecken. Der Motor kocht, da wir mit niedrigem Gang 50-60 km/h gefahren sind. Während er abkühlt, gibt’s ein kleines Mittagessen. Plötzlich tauchen 3 Burschen im himmelblauen Toyota auf und zeigen uns, was wir ohnehin schon wissen, nämlich, dass man neben der Piste fahren muss. Mit den Sandblechen ist unser Auto sofort wieder flott und wirklich, neben der Piste fährt sich's ganz leicht, weil man hier nicht im Sand einsinkt, sondern von ihm getragen wird. Nach weiteren ca. 10 Kilometern ist das Ende des Ergs erreicht. Nun geht’s über 100 Kilometer auf und neben übelster Piste mit 5-20 (!) km/h Richtung Wau an Namus. Die Landschaft wechselt nur wenig und wir sind bald vom Langsamfahren zermürbt. Es ist ein Wechsel vom ersten auf den zweiten und wieder auf den ersten Gang, es ist viel Wellblech und schneller fahren können wir unserem Fahrzeug, vor allem der Kabine, nicht zumuten. Mit dieser Schneckengeschwindigkeit durchqueren wir eine Ebene, fahren rauf auf einen Anstieg, drüben runter, durchqueren die nächste Ebene usw. Jede dieser Ebenen hat eine Ausdehnung von etwa 10-20 Kilometern. Gegen 19 Uhr erreichen wir eine Kontrollstelle, wo uns sechs Männer, teils uniformiert, teils in zivil, aber alle bewaffnet, die Maschinengewehre mit Isolierband repariert, fast ½ Stunde warten lassen und uns doch nicht passieren lassen. Keiner spricht englisch, soweit wir verstehen, gibt es am Wau an Namus Militärmanöver und wir müssen umkehren. In gehörigem Respektabstand stellen wir unser Fahrzeug ab und schlafen erschöpft ein. Km 36.139 (370/3.217) Sonntag, 16. März 3, mein 40. Geburtstag Schlecht geschlafen, ich nehme noch um 1 Uhr eine Schlaftablette, Susi hat auch schon eine genommen. Wecker um 7 Uhr. Schnelles Frühstück und los geht’s: Runter in die erste Ebene, diese durchquert, in die 2. Ebene usw. Heute erwischen wir insgesamt die Spur besser, vor allem im nordwestlichen Teil der Strecke, wo wir sehr viel weiter als gestern westlich der Trasse fahren. Hier gibt es kaum Spuren und wir können viel schneller fahren: Wir schaffen einen Schnitt von 22 km/h! Bei der Überquerung des Erg Murzug fahren wir diesmal nicht den von Göttler angegebenen Bogen, sondern steuern geradlinig auf Timsah zu. Es ist nun völlig eben, es gibt außer Sand und Himmel nichts zu sehen, auch keine Strukturen im Sand und plötzlich kann ich nicht mehr sagen, ob ich 80 fahre oder ob ich stehe und die Räder drehen sich durch! Eine gespenstige Erfahrung! Um ca. 16 Uhr, nach 6 Stunden Fahrzeit erreichen wir Timsah und stellen erstmals unsere Campingmöbel auf. Rundum Palmen und Tamarisken. Echt gemütlich. Dazu ein kühles Bier und dann noch eins ... So hat mein Geburtstag, den ich eigentlich am Wau-an-Namus verbringen wollte, doch noch ein gutes Ende gefunden. Ich öffne das Packerl, das mir meine Tochter mitgegeben hat, drinnen sind 40 Lollis, ein netter Einfall. Ich bin zu Tränen gerührt, vor allem weil Anna so weit weg ist. Gelegentlich erhalten wir Besuch von Leuten in himmelblauen 45er Toyotas. Wir werden bedauert, dass wir von Österreich nach Libyen gekommen sind, dass wir nach Timsah gefahren sind und dann 150 km vor dem Wau-an-Namus umkehren mussten. Bis auf die lästigen Fliegen ist es sehr still hier. Einfach schön. Km 36.271 (132/3.349) |
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