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   China

Unser chinesischer Begleiter Li*

Um mit unserem eigenen Fahrzeug in China reisen zu dürfen, müssen wir einen Begleiter mitnehmen, den wir hier "Li" nennen. Li spricht englisch und versteht uns nicht, wenn wir deutsch miteinander reden. Damit er nicht weiß, dass wir über ihn reden, heißt er Begleiter, Fraunz oder Franzl, wenn wir über ihn sprechen.

Während unser Reisebericht ja tagesaktuell auf der Reise entstand, schreibe ich diese Seite über Li erst Jahre später. Während wir in China unterwegs waren, wollte ich nicht im Internet über unseren Begleiter schreiben, weil vermutlich die Leute von der Agentur, die die Reise für uns organisert hat, mitlasen und auch Lis Chef in Peking und der Geheimdienst und was weiß ich, wer noch.

Li ist ein netter Begleiter und wir verstehen uns meist gut mit ihm. Er erledigt die komplizierte und bürokratische Einreise in China professionell und schnell, das heißt: in einem Tag. Aber es ist halt ungewohnt, ständig jemanden mitzuhaben, andererseits war er schon an vielen Plätzen und kennt sich gut aus. In Peking erspart er uns zum Beispiel die lange Warteschlange vor der Verbotenen Stadt, indem er uns zu einem kaum bekannten Nebeneingang bringt. Oft fühlen wir uns allerdings bemuttert und vielfach traut er uns einfache Sachen nicht zu. Dabei sollte ihm eigentlich klar sein, dass, wer von Europa nach China gefahren ist, eher nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen ist. Er kann es gar nicht wahrhaben, dass wir ihn kaum brauchen. Er will zuerst gar nicht glauben, dass wir in Peking alleine mit der U-Bahn vom Zentrum bis zum Zerberus fahren wollen. Wir müssen zwar etliche Male umsteigen, aber das ist in Peking auch nicht schwieriger als anderswo. Und dann beim Autofahren: Ich hab die ganze Strecke durch China so durchgeplant, dass ich genau weiß, wo ich abbiegen muss, weil ich ja damit gerechnet habe, dass alle Wegweiser in chinesischer Schrift sind (viele sind ohnehin auch in lateinischer Schrift). Li sagt mir oft völlig unnötig an, dass ich auf der kommenden Kreuzung abbiegen oder nicht abbiegen soll, und das, obwohl er sieht, dass ich ich mich nicht verfahre, wenn er mal hinten sitzt und zwei Stunden pennt. Und wenn ich auf dem Markt Gemüse kaufe, läuft er mir sofort nach, weil er glaubt, ich brauch ihn. Ist eh nett irgendwie, aber es grenzt schon ein bissl an Bevormundung und mit der Zeit nervt es ein wenig. 

Li telefoniert oder smst täglich merere Male mit seinem Chef, wir fühlen uns total überwacht. 

Li braucht jeden Tag ein Hotel, während wir einen ruhigen Stellplatz benötigen. Anfangs besteht Li darauf, dass wir gemeinsam einen Nachtplatz für uns suchen und er fährt dann mit dem Bus oder einem Taxi in sein Hotel. In der Früh kommt er auf die gleiche Weise wieder zu uns. Mit früh Aufstehen hat er's allerdings nicht. Abfahren um 7 taugt ihm nicht sehr. In Peking hat er gemeint, so früh fahren keine U-Bahnen. Da hätt ich mich beinahe auf den Rücken fallen lassen und hätt vor Lachen nicht mehr aufstehen können. Weil er öfter mal später als vereinbart kommt, gibt es Zoff und wir ändern das Procedere: Wir bringen ihn zum Hotel, suchen uns dann einen Nachtplatz und holen ihn in der Früh wieder ab. So hat er zwar nicht die volle Kontrolle über uns, aber es gefällt ihm, weil er länger schlafen kann. Und uns gefällt es, weil wir gelegentlich in seinem Hotelzimmer duschen können. 

In Peking ist es lustig mit ihm: Zu Mittag hat er nichts gegessen, weil es ihm in dem Lokal zu teuer war. Die hatten Gerichte von 18 bis 25 Yuan (2,34 - 3,25 Euro) und er hat gemeint, woanders kann er um 5 essen. Beim Abendessen das gleiche. Pekingente ist halt teuer. Eine halbe Ente kostet 57 Yuan (7,40 Euro). Er bestellt eine halbe für Susi und mich und für sich nichts. Als wir dann fast fertig sind, hält er's nicht mehr aus, bestellt sich dann für sich selbst eine ganze halbe Ente und findet sie plötzlich sehr günstig. Wir müssen dann eine ganze Weile warten, obwohl er sie voll unappetitlich verschlingt, weil er sich beeilen will.

Am meisten gefällt es mir, wenn er total perplex ist, das geschieht in den ersten Tagen gleich zweimal: erstens als ich in Taiyuan, einer Viermillionenstadt, ganz zielstrebig zur Zwillingspagode hinfahre. Da glaubt er echt einen Moment lang, ich war schon mal da. Und dann, in irgendeinem Tempel erklärt er mir irgendwas von Tang. Ich verstehe das Wort nicht gleich, aber als er es zweimal wiederholt, begreife ich, dass er die Tang-Dynastie meint und ich zum Beweis, dass ich's jetzt verstanden hab', sage ich die nächsten paar Dynastien auf: Tang-Song-Ming-Qing. Das sind die letzten vier Dynastien und die, aus denen halt die ganzen Tempel sind. Die hab' ich mir mal gemerkt, weil die sollte man schon mal gehört haben, wenn man nach China fährt. Jedenfalls kriegt er da auch mal kurz die Lade nicht zu.

Eines Tages hatte Li eine schlechte Trefferquote. Und das war so: Er schickt mich bei einer Ausfahrt von der Autobahn runter und sagt, da geht's zum Wasserfall. Mein GPS sagt aber noch 9 Kilometer auf der Autobahn. Ich erklär' ihm, dass man auf beiden Seiten des Flusses hinfahren kann. Er sagt, er war bisher immer auf der Ostseite. Wir wollen aber auf die Westseite, weil's dort laut Google Earth schöner ist. Er sagt, ist ihm recht. Ich sag, es kommt ohnehin noch eine Brücke, wenn's uns auf der Westseite nicht gefällt, fahren wir hinüber auf die Ostseite. Dann kommt die Brücke, er sagt, das ist keine Brücke, sondern ein Aquädukt. Schaut auch irgendwie so aus, aber ich hab in GE halt eine Brücke gesehen. Als wir dann näher kommen, ist es doch eine Brücke und keine Wasserleitung. Auf dem Parkplatz frag' ich ihn, ob es da zum Klettern wird, weil ich dann Sportschuhe anziehen würde. Ich gehe also mit Schlapfen, denn er sagt, nein, da ist ein guter Weg hin. Doch auch das stimmt nicht, weil der Weg ist schlecht und um zu den besten Plätzen zu kommen, muss man doch ein wenig klettern. Nun könnt man sagen, er war ja noch nie da. Man sieht aber gut hinüber auf's Ostufer und auch da klettern die Leute herum und springen über Rinnsale.

Als ich die Heizung des Zerberus ausbaue, zerlege, reinige, zusammen- und wieder einbaue, ist's auch lustig: Da geht er einfach davon und geht in 200 Metern Entfernung auf und ab, bis wir ihn nach 2 Stunden rufen. Da denk ich doch, es hätt sich gehört, dass er fragt, ob er was helfen kann. 

In Xi'an ist es schon reichlich spät, als wir uns auf Nachtplatzsuche machen. Ich finde in meiner GPS-Punkte-Sammlung einen Platz, gar nicht weit weg und recht ruhig. Li ist begeistert, kann es gar nicht fassen und fragt sich, ob ich nicht doch schon mal hier war.

Eines Abends ist's sehr eigenartig mit Li: Endlich haben wir ein Dorf mit Hotel gefunden. Leider ist das Hotel direkt an der Straße und da ist's voll laut und da wollen wir nicht übernachten. Ich sag, wir suchen uns einen Platz etwas außerhalb des Dorfes und wir holen ihn morgen in der Früh beim Hotel ab. Er meint, er muss mitfahren bis zu unserm Nachtplatz wegen der Polizei, die uns ja nicht versteht, wenn wir eine Kontrolle hätten. Sag ich, kein Problem, dann muss er halt selber schauen, wie er zum Hotel kommt. Genau in dem Moment sehen wir schräg gegenüber vom Hotel ein Geschäft, wir gehen kurz ein paar Sachen kaufen und als ich abfahren will, sagt er, wir sollen ihn hierlassen, einen Nachtplatz suchen und ihn morgen in der Früh abholen. Da waren maximal zehn Minuten dazwischen. 

Kurz bevor wir das tibetische Hochland erreichen, fühle ich mich grippig. Susi fühlt sich auch nicht besonders. Und Li schnieft und rotzelt auch. Aber bei ihm ist's eher keine Grippe, denke ich. Er kauft sich einfach keine Taschentücher, wahrscheinlich sind ihm die zu teuer.

Gegen Ende der Reise mal sagen wir zu Li, wir gehen Abendessen, und er fasst das gleich als Einladung auf, mitzugehen. Er stürmt in ein chinesisches Restaurant, das aber sehr ungemütlich aussieht und wir bleiben draußen stehen. Da winkt  er uns rein, aber wir meinen, wir wollen was gemütlicheres. Da geht er mit uns weiter und wir finden ein tibetisches Lokal. Er setzt sich zu uns, übersetzt uns die Speisekarte, bestellt für uns und geht dann, weil er lieber ins chinesische Lokal geht. Und ganz gleich war's an dem Tag zu Mittag. Da kommt wohl zusammen, dass er die Tibeter nicht mag. Manchmal lässt er Sprüche los, dass man denken muss, er wurde einer Gehirnwäsche unterzogen: Unter'm Dalai Lama waren die Tibeter alle Sklaven und lebten wie die Tiere und solche Sachen. Und außerdem ist ihm oft das Essen einfach zu teuer: Wenn's wo 16 Yuan (2,30 Eruo) kostet, stöhnt er schon und 20 sind ganz unmöglich. Da geht er dann irgendwo in eine Spelunke, wo das Futter 10 oder 12 kostet und dann ist er nicht satt und kauft sich um viel Geld Bananen. Und dabei ist er ja kein Armer, er will sich jetzt ein neues Auto kaufen und ein Wohnungskauf steht an. Urlaub in Europa war auch kein Problem. Verstehen wir einfach nicht. Wir sind froh, dass wir bald wieder allein sind, weil auch wenn er eh recht nett ist, war's oft auch echt anstrengend. Wir haben lange überlegt, was wir ihm zum Abschied schenken, weil eigentlich gehört sich das ja. Zuerst haben wir an ein Trinkgeld gedacht, aber da sind wir schnell davon abgekommen, weil er ohnehin oft auf unsere Kosten wo mitgegessen oder getrunken hat, auch fast täglich Obstjause gekriegt hat und von ihm ist nie was gekommen. Unser Geschenk war dann ein USB-Stick mit vielen Fotos von der Reise, dazu noch einen Teil meiner Musiksammlung, weil da hat ihm manches gefallen. Der Abschied war dann eher kühl, wahrscheinlich hat er doch auf Geldscheine gehofft. Sorry, Li!

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* Name geändert.